Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der FDP-Fraktion:

 

  1. Wie beurteilt der Kreisausschuss das heute ergangene EuGH-Urteil, wonach eine Tarifbindung durch Einhaltung örtlicher Tarifverträge bei öffentlichen Aufträgen (Tariftreuegesetz) unzulässig ist?

 

Mit seinem Urteil vom 03.04.2008 stellt der EuGH laut der Pressemitteilung Nr. 20/08 vom gleichen Tage im Ergebnis fest: „Ein Lohnsatz, der in einem nicht für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag in einem Mitgliedsstaat, in dem es ein entsprechendes System gibt, festgelegt worden ist, darf Erbringern staatenübergreifender Dienstleistungen, die Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates entsenden, nicht durch eine auf die Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbare gesetzliche Maßnahme vorgeschrieben werden.“

 

Damit zielt der EuGH letztlich darauf ab, dass hinsichtlich der Löhne bei der staatenübergreifenden Erbringung von Leistungen nur solche Bedingungen zu garantieren sind, die durch allgemeinverbindliche Tarifverträge festgelegt sind. Allgemeinverbindliche Tarifverträge liegen vor, wenn sich die Bindungswirkung auf alle in den geografischen Bereich des Tarifvertrags fallende Leistungen erstreckt. Sofern, wie bei dem der Beurteilung des EuGH zugrunde liegenden Landesvergabegesetzes des Landes Niedersachsen, eine Bindung nur für öffentliche Auftraggeber, nicht aber im Bereich der privaten Auftraggeber besteht, ist diese Allgemeinverbindlichkeit zu verneinen.

 

Obwohl also mit dem niedersächsischen Landesvergabegesetz – wie im Übrigen auch mit dem Hessischen Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Hessisches Vergabegesetz – HVgG) vom 17.12.2007 - der Maßgabe des § 97 (4) GWB („Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“) Rechnung getragen wurde, erkennt der EuGH durch die in diesen Gesetzen festgeschriebene Bindung an die am Ort der Erbringung der Leistung geltenden Tarifverträge eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs.

 

Der Kreisausschuss hat insoweit das Urteil des EuGH zur Kenntnis zu nehmen. Es wird abzuwarten sein, inwieweit der Gesetzgeber das HVgG einer Anpassung an die Maßgaben des EuGH zuführt.

 

Eine Anwendung des HVgG ist derzeit ohnehin nicht möglich, weil es an einer Bekanntmachung der für das öffentliche Auftragswesen und das Tarifvertragsrecht zuständigen Ministerien des Landes Hessen entsprechend HVgG § 2 (2) fehlt. Die nach dem HVgG anzuwendenden Tarifentgelte wurden noch nicht im Staatsanzeiger für das Land Hessen veröffentlicht.

 

  1. Inwieweit sind aktuelle Ausschreibungen rsp. Vergaben des Kreises hiervon betroffen und ggf. beklagbar?

 

Der Anwendungsbereich des HVgG vom 17.12.2007 ist nach dessen § 1 (1) beschränkt auf die Vergabe und Ausführung entgeltlicher Verträge über Bauleistungen sowie Dienstleistungen im Gebäudereinigungshandwerk und im Sicherheits- und Bewachungsgewerbe. Seit Inkrafttreten des HVgG am 01.01.2008 sind lediglich Bauleistungen ausgeschrieben worden.

 

Nach Auskunft des Da-Di-Werks – Eigenbetrieb für Gebäude- und Umweltmanagement – sind in den Monaten Januar bis März 2008 16 Vergaben nach vorangegangenen Ausschreibungen erfolgt, wobei eine Tarifbindung durch Einhaltung örtlicher Tarifverträge nicht als Vergabekriterium herangezogen wurde. In Anbetracht der fehlenden Veröffentlichung der anzuwendenden Tarifentgelte im Staatsanzeiger ist dies konsequent. 

 

Insoweit ist eine Angreifbarkeit dieser Vergaben im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil vom 03.04.2008 nicht gegeben.

 

Durch die Beantwortung der Anfrage sind Personalkosten in Höhe von 125,00 Euro entstanden.