Nachtrag: 23.01.2012

Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der Fraktion der FDP:

 

In welchen Produktbereichen und in welcher Höhe jeweils wird bei der Wahrnehmung von Aufgaben, die der Bund oder das Land Hessen dem Landkreis zugewiesen hat, das Konnexitätsprinzip nicht oder nur teilweise eingehalten?

 

Diese Frage kann aufgrund der komplexen Thematik nicht abschließend beantwortet werden, vor allem ist eine quantifizierbare Aussage hierbei nicht möglich.

 

Folgend jedoch ein Auszug von Aufgaben, bei denen die Einhaltung des Konnexitätsprinzips von den unterschiedlichen Verwaltungseinheiten zumindest in Frage gestellt wird.

 

PB 02:

 

Im Rahmen der Kommunalisierung sind folgende neue Aufgaben wahrzunehmen:

 

Produkt 020204:

Seit der Kommunalisierung kam es zu einer Mehrbelastung durch echte neue Aufgaben durch neue Rechtsvorschriften (z.B. Verbraucherinformationsgesetz, BVDV-Bekämpfung beim Rind) und erst nach der Kommunalisierung in Kraft getretene EU-Vorschriften, die bereits erlassen waren und noch Übergangsfristen enthielten (z.B. EU-Hygienerecht, Cross-Compliance-Kontrollen, Hühner-Salmonellen-VO). Dazu kam eine regelmäßige Verschärfung, zahlenmäßige Steigerung und Verkomplizierung durch Änderung bestehender Vorgaben (z.B. Zulassungs-, Genehmigungsverfahren, Qualitätsmanagement, Akkreditierung von Trichinenlaboren, Kontroll-zahlen und Umfang im Cross-Compliance) sowie die zunehmende Einforderung nicht vollzogener Aufgaben durch die Fachaufsicht.

 

Dies war auch ein Kernthema im Rahmen der Novellierung des Kommunalisierungsgesetzes bezüglich der Aufgaben auf dem Gebiet des Veterinärwesens und Verbraucherschutzes im Jahr 2011 und führte vom Hessischen Landkreistag zu einer Abfrage bei den Kreisen. Eine umfangreiche Stellungnahme des HLT ist anschließend erfolgt und unter der Rundschreiben Nr. 686/2011 veröffentlicht.

 

Daraus zusammengefasst lässt sich ausführen, "dass es in zahlreichen Bereichen durch europarechtliche, aber auch und insbesondere Landesvorgaben zu einem Aufgabenanstieg, der Ausweitung bestehender und der Zunahme neuer Standards gekommen ist, was bei den hessischen Landkreisen jeweils jährliche Mehrkosten im Bereich von mindestens 200.000 Euro bis 300.000 Euro pro Landkreis verursacht" (Schreiben von Herrn Ruder, HLT an die Landkreise).

 

Im Schreiben des Geschäftsführenden Direktors des HLT, Herrn Dr. Hilligardt an Frau Staatsministerin Puttrich, HMUELV ist eine detaillierte Aufstellung der Mehrbelastungen erfolgt, die in großen Teilen der Stellungnahme des Unterzeichners an den HLT entspricht. Daneben haben die Kreise Groß-Gerau und Hochtaunus versucht, die Mehrbelastungen in Arbeitszeit-faktoren bzw. Stellenanteile zu fassen, was zu den vorgenannten Mehrkostenschätzungen führte. Groß-Gerau kommt auf einen Mehrbedarf von 281.000 Euro, der Hochtaunuskreis auf 250.900 Euro plus weitere 96.000 Euro, falls das sog. Smiley-System in der Lebensmittelüberwachung eingeführt werden sollte. Diese Angaben lassen sich auf Darmstadt-Dieburg übertragen.

 

Produkt 020201:

Im Rahmen der Kommunalisierung wurde die Kreisverwaltung als zuständige Behörde für die Durchführung der Vorverfahren in vielen Bereichen der Abteilung (Jagd- und Fischereiwesen, Gewerbeangelegenheiten, Personenstandswesen, Allgemeines Ordnungsrecht sowie Waffenrecht) bestimmt. Der Kreisordnungsbehörde wurde außerdem mit der "Änderung der Arbeitsschutz-zuständigkeitsverordnung" vom 14.06.2005 die Zuständigkeit zur Durchführung des Sprengstoff-gesetzes übertragen. In allen benannten Fällen bleiben die erzielten Gebühreneinnahmen bei der Kreisverwaltung.

 

Produkt 020202:

Seit Einführung des Zuwanderungsgesetztes am 01.01.2005 kamen zahlreiche neue Aufgaben auf die Ausländerbehörde zu, die zu längeren Bearbeitungszeiten führten und langfristig nicht mit einer Stellenmehrung einhergingen. Durch eine Zuständigkeitsverlagerung von RP-Ebene auf Kreisebene bearbeitet die Ausländerbehörde zudem die Vorverfahren für EU-Bürger und ARB-berechtigte türkische Staatsangehörige. Mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstiels am 01. 09.2011 erhielt die Abteilung eine zusätzliche Stelle zur Bewältigung des Mehraufwandes.

 

Produkt 020203:

Im Bereich der Zulassungsbehörde sind seit 2005 folgende Aufgaben, teilweise mit Gebühreneinnahmen, hinzugekommen:

  • Erhebung der Steuerdaten und Bankverbindungen/Einzugsermächtigung für die Finanzverwaltung (seit 2005).
  • Überwachung der Steueranzeigen und zwangsweise Außerbetriebsetzung und Zwangsentstempelung für die  Finanzverwaltung: finanzieller Ausgleich 0,25 Euro pro Fall der Einzugsermächtigung.
  • Übertragung der Zuständigkeit für verschiedene Ausnahmegenehmigungen: Gebühreneinnahmen.
  • Umsetzung der Euro-Normen. Zusätzliche Überwachung bei Neuzulassungen: Mehrarbeit bei Neuzulassungen: keine Gebührenmehreinnahmen.
  • Vorführerlasse

Vorfahrtspflicht von Fahrzeugen zur Prüfung der Fahrzeugidentnummer konkretisiert und ausgedehnt: keine Gebührenmehreinnahmen.

  • Einzelgenehmigungsverfahren gem. § 13 EG-FGV

Umsetzung der EG-Richtlinien zur Einzelgenehmigung nicht getypter Fahrzeuge

Erteilung wurde von Seiten der hiesigen Zulassungsbehörde weiterdelegiert (inkl. Gebühreneinnahmen) an Bündelungsbehörde Marburg-Biedenkopf, aber Mehrarbeit verbleibt auch hier, Schriftverkehr zwischen Bündelungsbehörde und Zulassungsbehörde, Rückfragen, Information und Antragsaushändigung an Kunden, zusätzliche technische Schulungen waren erforderlich, zusätzliche Prüfung und längere Bearbeitungszeiten, Rücksprachen mit Prüforganisationen, Diskussionen mit Kunden erhöhen den Zeitaufwand bei der Zulassung nicht typgenehmigter Fahrzeuge immens, keine Gebührenmehreinnahmen.

  • Klassifizierung der Fahrzeuge und Ausgabe der Plaketten, auch bei Nachrüstung und technischen Änderungen: Gebühreneinnahmen Plakettenzuteilung.
  • Besteuerungsmerkmal CO²-Wert:Teilweise manuelle Berechnung und Erfassung des CO²-Wertes bei der Zulassungsbehörde zur Umsetzung der neuen Besteuerungsmerkmale
  • Aufbietungsverfahren gemäß § 13 Abs. 4 FZV.
  • Seit Inkrafttreten der FZV 2007 neue Möglichkeit der Beendigung der Zulassung für den eingetragenen Halter bei Verkauf: Gebühreneinnahmen.
  • Wechselkennzeichen

Einführung 2012: Gebühreneinnahmen noch unklar.

 

Im Bereich der Fahrerlaubnisbehörde sind die nachfolgenden Aufgaben übertragen worden:

  • Entscheidungen über Widersprüche seit 2006
  • Ausnahmen vom Mindestalter (Kl. B, CE, L u. T)
  • Begleitetes Fahren ab 17  (seit 2007)
  • Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (seit 2008)
  • Hessische Fahrberechtigungsverordnung (seit 2010)

 

Produkt 020501:

Die in der Bundesauftragsverwaltung festgelegten Aufgaben, die nach dem Subsidiaritätsprinzip der Landkreis ausführt, werden in adäquater Höhe vom Bund finanziert (siehe Jahresberichte): dies betrifft Fahrzeuge, entsprechende Führerscheinerweiterung, Ausbildung (AKNZ).

Zusätzliche Ausbildung, Ausrüstung und Vorhaltung von Fahrzeugen, um eine optimale und effiziente Gefahrenabwehrlogistik (GAL Landkreis Darmstadt-Dieburg) zu etablieren, sind freiwillige Leistungen des Landkreises.

 

Durch die Neukonzeption Katastrophenschutz des Landes Hessen werden die dem Landkreis zugewiesenen Aufgaben sukzessive finanziert:

Fahrzeuge mit Ausstattung, entsprechende Führerscheinerweiterung, Helferpauschalen und Ausbildung (HLFS). Hierzu gilt ebenfalls wie unter 1.), dass die Optimierung der Ausbildung und der Ausstattung (KatS-Lager), um einen flächendeckenden Bevölkerungsschutz zu garantieren, freiwillige Leistungen des Landkreises darstellen.     

Ingesamt betrachtet wird das Konnexitätsprinzip im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung aus dem Blickwinkel der Bundesauftragsverwaltung eingehalten.

 

Darüber hinaus ist mit der jüngsten Änderung der HGO (Gesetz vom 16.12.2011, GVBl. I S. 786) eine neue Aufgabe für die Kommunalaufsicht eingeführt worden. Gem. § 105 Abs. 2 HGO ist ab 01.01.2012 der in der Haushaltssatzung einer Kommune festgesetzten Höchstbetrag der Kassenkredite zu genehmigen.

 

PB 05:

 

Bei der Einführung des SGB II zum 01.01.2005 wurde darüber gestritten, ob die Kommunen über Gebühr belastet werden oder sich im Gegenteil sogar deutlich von den bisherigen Sozialhilfekosten nach dem BSHG entlastet haben.

Eine einheitliche Sichtweise wird es dazu nicht geben. Aus Sicht des Bundes trägt er die finanzielle Hauptlast, zahlt Regelleistungen und Krankenversicherung sowie Eingliederungsleistungen voll, beteiligt sich an den Kosten der Unterkunft und übernimmt den Großteil der Personal- und Verwaltungskosten.

Aus Sicht der Kommunen steigt die Belastung durch die von ihnen zu tragenden Kosten der Unterkunft stetig. Diese Belastung steigt mit jeder Erhöhung der Regelleistungen, weil anzurechnendes Einkommen immer erst die Bundesleistungen mindert und erst im zweiten Schritt die Kommunalen Leistungen.

Aktuell wird der Bund argumentieren, dass er in 2011 den Kommunen bei der Einführung und Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes mehr Geld gegeben hat, als sie verausgabt haben.

 

PB 06:

 

Bei den Leistungen des Produktbereiches 06 handelt es sich ausschließlich um Pflichtleistungen. Insbesondere Bundesrecht, aber auch ergänzendes Landesrecht normieren hier objektive und subjektive Rechtsansprüche. Das SGB VIII, Kernstück des Kinder- und Jugendhilfegesetzes vom 26.6.1990 (BGBl. I, S. 1163), ist ein Leistungsgesetz in perfekter Vollendung. Es erfuhr, in Reaktion auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, seither etliche Veränderungen, die nicht ohne Auswirkungen geblieben sind auf kommunale Finanzen. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang die geschaffenen Rechtsansprüche auf einen Kindergartenplatz, bzw. der Rechtsanspruch auf einen U-3-Platz ab dem 1.8.2013. Seine letzte Veränderung erfuhr das SGB VIII durch das Bundeskinderschutzgesetz, welches zum 1.1.2012 in Kraft getreten ist und örtlichen öffentlichen Trägern der Jugendhilfe neue Aufgaben zuweist. Bezüglich einzelner Leistungssegmente, aktuell z.B. dem neu aufzubauenden Leistungsangebot der Familienhebammen, erfolgen auch Finanztransfers vom Bund über die Länder an Kommunen, die in der Regel aber nicht auskömmlich sind.

 

Gleiches gilt im Grunde genommen für Landeszuwendungen. Als besonders eklatantes Beispiel sind hier die Zuwendungen des Jugendhilfelastenausgleiches des Landes zu benennen, der geschaffen wurde, als Aufgaben der Jugendhilfe, welche das Land Hessen wahr nahm (Fürsorgeerziehung, Freiwillige Erziehungshilfe) Mitte der neunziger Jahre in die Zuständigkeit der Kommunen wechselte. Es ist bekannt, dass hier die Finanzierungs- und Belastungsschere kommunaler Haushalte immer mehr auseinander geht, ohne dass es zu Reaktionen des Landes kam. Da es sich um keine neue Aufgabe handelt mag es sein, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zum 'Konnexitätsprinzip' nicht herstellbar ist. Das System ist aber unverändert. Es werden regelhaft unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände der kommunalen Ebene neue Aufgaben zugewiesen. Es erfolgen Absprachen bzgl. notwendiger Transferleistungen (z.B. U-3-Versorgung bzw. aktuell Familienhebammen), bei denen sich dann aber relativ rasch zeigt, dass sie nicht auskömmlich sind.

 

Auch durch das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts entstehen Mehrkosten auf kommunaler Ebene.

 

PB 13

 

Die Aufgaben der ehemals staatlichen Hauptabteilung IV - Ländlicher Raum - haben seit der Kommunalisierung im Jahr 2005 erheblich zugenommen:

  • Landwirtschaftliche Direktzahlungen (u.a. durch neue Aufgaben (z.B. Luftbildverifizierungen) und erhöhte Anforderungen an die Verwaltungskontrollen)
  • Fachtechnische Aufgaben (u.a. durch die neuen EU-Cross-Compliance-Kontrollen sowie im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmerichtlinie)
  • Agrarinvestitionsförderprogramm (u.a. durch Einführung eines aufwändigen SAP-Buchungssystems, durch die Übertragung der fachteschnischen (u.a. baufachlichen) Prüfung sowie der Prüfung der Betreuerakten)