Sitzung: 10.03.2008 Kreistag
Beschluss: Kenntnis genommen
Anfrage der Fraktion von Die Linke/DKP:
In jüngster Zeit haben die Meldungen über Kindesmisshandlungen und – tötungen in Deutschland drastisch zugenommen. Untersuchungen hierüber ergaben, dass die betreffenden Eltern finanziell unterversorgt und bei der Kindererziehung oft völlig überfordert waren. Bekannt wurde auch, dass in einigen Fällen die Jugendämter nicht ihrer staatlichen Fürsorgepflicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen sind – meistens aufgrund personeller Unterbesetzung.
Vor diesem Hintergrund fragen wir – die Fraktion DIELINKE./DKP an:
- wie viele Kinder werden vom Kreisjugendamt betreut und schwerpunktmäßig aus welchen Gründen ?
1)
Anzahl der
Kinder:
Nachfolgend wird nur die Inanspruchnahme der
Leistungen des Kreisjugendamtes im Bereich der
Erziehungs- und Eingliederungshilfen, der Hilfen für junge Volljährige
und sonstiger Hilfen nach dem SGB VIII aufgeführt. Bei den aufgeführten
Leistungen wurde der Pflegekinderdienst
nur bezogen auf die Vollzeitpflege berücksichtigt.
Insgesamt wurden zum Stichtag 865 Maßnahmen der
aufgeführten Hilfen durchgeführt.
Nicht berücksichtigt wurden bei der nachfolgend
aufgeführten Auswertung die Beratungen der Fachkräfte der Erziehungshilfe im
Vorfeld der Gewährung von Erziehungs- und Eingliederungshilfen, der Trennungs-
und Scheidungsberatung nach § 17 und die Sorgerechtsberatung nach § 18.
Da wir davon ausgehen, dass sich diese Fragen nur auf
die Inanspruchnahme der Erziehungs- und Eingliederungshilfen beziehen, fanden
auch die Arbeit der Kinder- und Jugendförderung, der Projektorientierten
Schulsozialarbeit (PSSA), die Beratungsleistungen der Suchtprävention und der
Drogenberatung, die Arbeit der Erziehungsberatungsstellen und der
Kindertagesstättenfachberatung ebenfalls hier keine Berücksichtigung.
Ebenso nicht erfasst sind die Fallbearbeitungen der
Jugendgerichtshilfe, die Arbeit der Adoptionsvermittlung und des Zentrums für
schulische Erziehungshilfe, die nicht zu einer Inanspruchnahme der Erziehungs-
und Eingliederungshilfen führten.
2) Gründe für die Betreuung:
Nachfolgend werden die Hilfeanlässe bei Erziehungs-
und Eingliederungshilfen für die Jahre 2004 bis 2006 jeweils zum Stichtag
31.12. dargestellt.
Zum
Stichtag 31.12.2006 lagen bei 14.5% aller Hilfeanlässe Anzeichen für
Kindeswohlgefährdung in Form von Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung
vor. Im Vergleich zum Jahr 2002 blieben der Hilfeanlass ‚Vernachlässigung’
relativ konstant, die ‚Anzeichen für
sexuellen Missbrauch’ waren leicht rückläufig und die Anzeichen für
Misshandlung’ stiegen von einem Anteil von 1,9% auf 2,3%.
- Welchen finanziellen Hintergrund haben die betreuten Kinder und Jugendliche ?
Auf Grund der Einführung von KV Com kann diese Frage
erstmals für die Bestandserhebung 31.12.2007 beantwortet werden. Von den
insgesamt erfassten 830 Hilfen lebten 469 Familien oder junge Volljährige
teilweise oder ganz von Arbeitslosengeld II, bedarfsorientierter
Grundsicherung oder Sozialhilfe.
Zur Kontrolle wurde eine Auswertung aller bisher in KV
Com eingegebenen Fälle bis zum heutigen Tag (07.02.2008) durchgeführt. Von den
insgesamt 1931 Hilfen bezog die Herkunftsfamilie bzw. die jungen Volljährigen
zu 52,9% Leistungen nach SGB II bzw. SGB XII. Es kann daher davon ausgegangen
werden, dass die Mehrheit (über 50%) der jungen Volljährigen, die Hilfen nach §
41 SGB VIII bzw. der Familien, die Erziehungs- bzw. Eingliederungshilfen nach §
27 ff und § 35a SGB VII in Anspruch nehmen, in relativer Einkommensarmut leben.
Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass die Erfassung von
Kinderarmut nur auf der Basis der finanziellen Ressourcen des Haushaltes, in
dem das Kind lebt, nach neuesten Erkenntnissen (z.B. UNICEF 2007) zu kurz
greift. Kindliches Wohlergehen wird anhand von 6 Dimensionen erfasst, die neben
dem materiellen Wohlstand, Gesundheit und Sicherheit, Bildung, Beziehungen zu
Familien und Freunden, Verhalten und Risiken im Alltag sowie das Ausmaß des
subjektiven Wohlbefindens erfassen.
- Ist das Kreisjugendamt personell ausreichend besetzt ? Gibt es hierfür Maßstäbe bzw. einen allgemein gültigen oder praktizierten Schlüsselwert (z.B. wie viele betreute Kinder pro Jugendamtsmitarbeiter) und sind diese Zahlen in unserem Landkreis positiv erfüllt ?
Zunächst ist
festzustellen, dass es keine allgemeingültigen Schlüsselwerte bzw. Anhaltswerte
für die Besetzung von Jugendämtern gibt, die im Bereich des Jugendamtes
Darmstadt-Dieburg zur Anwendung kommen könnten.
Die Besetzung des Jugendamtes richtet sich nach den tatsächlichen Anforderungen vor Ort, die abhängig sind von neuen gesetzlichen Anforderungen und Entwicklungen im konrekten Sozialraum. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen unterliegen Veränderungen, denen jeweils auch durch Personalanpassung im Jugendamt Rechnung getragen werden muss. Siehe auch die Mitteilung im Kreisausschuss am 20.11.2007 (Vorlage Nr. 1541-2007/DaDi) hinsichtlich eines neuen Konzeptes im Bereich des Jugendamtes, welches auch zu personellen Anpassungen führen wird.
- Wie viele Jugendamts –Mitarbeiter gibt es insgesamt ? ( Sachbearbeiter, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen) ?
Mit Stand 31.12.2007 gibt es insgesamt 42,11
Vollzeitstellen für sozialpädagogische Fachkräfte, die im Fallmanagement der
Erziehungs- und Eingliederungshilfen tätig werden.
Bereiche |
Stellenanteile Gesamt |
Erziehungshilfe |
29,97 |
Erziehungsbeistandschaft |
2,00 |
Jugendgerichtshilfe |
5,63 |
ZfsE |
1,00 |
Pflegekinderdienst
(inkl. Adoption) |
3,51 |
|
|
Gesamt |
42,11 |
- Sind beim Kreisjugendamt auch Familien – Therapeuten angesiedelt ? Wenn ja, wie viele ?
Einen Studiengang ‚Familientherapeut’ gibt
es in Deutschland nicht. Die Bezeichnung Familientherapeut dürfen führen die in
unseren Erziehungsberatungsstellen beschäftigen Dipl. Psychologen Frau Gruhn
und Herr Fink. Diese verfügen über entsprechende Zusatzausbildungen. Über
gleiche bzw. vergleichbare Zusatzqualifikationen verfügen fast alle im Bereich
der Erziehungsberatungsstellen, des Allgemeinen Sozialen Dienstes, des
Pflegekinderdienstes, des ZfsE Mühltal und im Bereich der
Erziehungsbeistandschaft eingesetzten päd. Fachkräfte. Da diese von ihrer
Basisausbildung her Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen sind, können diese die
Bezeichnung ‚Familienberater’ führen. Sie sind somit dazu in der Lage und
befugt Familientherapien durchzuführen. Diese Kenntnisse sind für die
Einzelfallarbeit sehr hilfreich. Der
Landkreis hat den Erwerb dieser zusätzlichen Qualifikationen durch
entsprechende Freistellung und die mit Finanzierung Berufs begleitender
Zusatzausbildungen gefördert.
- Sind dem Jugendamt Meldungen über Kindesmisshandlungen bekannt und wie, bzw. wie oft, werden diese Kinder durch das Amt betreut und wie wird diesen Familien geholfen ?
Im Jahr 2006 wurden im Kreisjugendamt
Darmstadt-Dieburg 105 Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII durchgeführt. Wie die nachfolgende Tabelle verdeutlicht,
ist die Zahl der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen ist seit 2003
kontinuierlich angestiegen. Von 2002 (Beginn des Berichtswesens) bis 2006
konnte eine Steigerung der Inobhutnahme um 105,9% verzeichnet werden.
Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass es primäres Ziel aller
Jugendamtsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter ist, Kindern, die Misshandlungs-erfahrungen
machen, zu helfen. Mit anderen Worten:
Wenn die Fachabteilung Kenntnis von solchen Dingen erhält wird immer
„geholfen“.