Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der FDP Fraktion:

 

Im Rahmen der politisch gewollten Erzeugung von Energie aus nachwachsenden Rohstoffen bekommt die Biomasse eine besondere Priorität in der Landwirtschaft. Sowohl die Biogasproduktion als auch die Verfeuerung von Biomasse finden zunehmend Unterstützung auch durch die Energiewirtschaft. Seitens der Landwirtschaft werden bevorzugt dazu Flächen benötigt, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, z. B. Grünland. Dieses Grünland nach dem dramatischen Rückgang der Rentabilität in der Milchviehhaltung u. a. durch ein „Energiegras“ zu ersetzen, ist deshalb vielerorts von Interesse.

 

  1. Wie beurteilt der Kreisausschuss die Möglichkeit, Miscanthus-Pflanzen an Standorten anzubauen, die als Grünland ausgewiesen sind?

    Entscheidend ist der konkrete Standort: So ist eine Umwandlung von Grünland in Ackerland in Überschwemmungsgebieten nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 HWG grundsätzlich verboten.

    Ein Grünlandumwandlungsverbot könnte darüber hinaus in einer Schutzgebietsverordnung (WSG, NSG, LSG) enthalten sein. Ebenso könnte sich ein Umwandlungsverbot aus § 31 HENatG (Gesetzlich geschützte Biotope) oder aus § 33 HENatG (Schutz und Pflege von NATURA 2000) ergeben.

    Schließlich ist der Miscanthusanbau auf solchen Gründlandflächen ausgeschlossen, bei denen die extensive Grünlandnutzung staatlich gefördert wird (z.B. nach HELP, HIAP).

    Unterliegt die konkrete Grünlandfläche keiner der genannten Beschränkungen, so steht dem Miscanthusanbau grundsätzlich nichts entgegen. Allerdings kann für den Grünlandumbruch dennoch eine naturschutzrechtliche Genehmigung erforderlich werden, wenn es sich um Flächen auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand oder auf Moorstandorten handelt (§13 Abs. 3 Nr. 4 HENatG).

    Vor diesem Hintergrund sollten Grünlandparzellen, auf denen der Anbau von Miscanthus geplant wird, stets vorsorglich - und zwar  vor Maßnahmenbeginn - der Unteren Naturschutzbehörde mitgeteilt werden, damit diese auch abgleichen kann, ob auf den Flächen besonders geschützte Pflanzen- oder Tierarten vorkommen. Bei einer Gefährdung lokaler Populationen wäre der Anbau im Zweifelsfall durch artenschutzrechtliche Anordnungen zu verbieten, da es sonst zu Verstößen gegen die FFH-Richtlinie käme (Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10.1.2006 in der Rechtssache C-98/03 gegen die Bundesrepublik Deutschland).

 

  1. Welche Möglichkeiten bestehen für die Landwirtschaft, eine Umwidmung rsp. Umnutzung genehmigt zu bekommen?

    Für die Grünlandumwandlung gibt es kein gesetzlich normiertes Anzeige- oder Genehmigungsverfahren. D. h. ein Bewirtschafter kann unter Beachtung sämtlicher materiellrechtlicher Vorschriften (s. o.) ggf. auch ohne Genehmigung Grünland umwandeln.

    Wie i. R. der Antwort auf die 1. Frage dargelegt, ist jedoch dringend anzuraten, eine geplante Grünlandumwandlung vorab der UNB formlos mitzuteilen, damit diese im Benehmen mit der Unteren Wasserbehörde Rechtssicherheit für den Flächenbewirtschafter herstellen kann.

    Existiert für den konkreten Standort ein Grünlandumwandlungsverbot oder ein Vorbehalt, so kann der Bewirtschafter ggf. eine Befreiung bzw. Ausnahmegenehmigung beantragen. Ob diesem Antrag entsprochen werden kann, hängt von der Sach- und Rechtslage im Einzelfall ab.

 

  1. Können z.B. Polder- oder Auengebiete genutzt werden, wenn das Grünland nicht umgebrochen, sondern mit einer Energiegras-Pflanze ergänzt wird?

    Mit dieser Frage werden verschiedene Aspekte zusammengeführt, die jeweils einer spezifischen Betrachtung bedürfen:
    • Die Belegenheit einer Grünlandfläche ist danach zu beurteilen, ob damit ein spezieller Schutzstatus verbunden ist: So kann eine Fläche in einem Polder- oder Auengebiet Bestandteil eines Überschwemmungsgebiets und/oder eines Landschaftsschutzgebiets und/oder eines Naturschutzgebiets sein. Es ist umgekehrt jedoch nicht auszuschließen, dass eine bestimmte Auenfläche keinen speziellen Schutzstatus genießt.
    • Die Methode der Umwidmung kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Verbotsnorm und deren rechtlich sowie agrarfachlich gesicherter Auslegung beurteilt werden:

      Beispielsweise lautet der o. g. § 14 Abs. 2 Nr. 3 HWG: „… in Überschwemmungsgebieten sind verboten: … 3. die Umwandlung von Grün- in Ackerland.“ D.h. es kommt nicht darauf an, ob die Grasnarbe „gebrochen“ wird, sondern darauf, ob aus Grünland Ackerland wird.

      Dies kann auch dadurch geschehen, dass die Grasnarbe mit einem Totalherbizid behandelt wird oder dass Samen oder Setzlinge  von Ackerpflanzen durch die Grasnarbe hindurch in die Erde verbracht werden und die entsprechenden Ackerpflanzen später die Grasnarbe durchstoßen und sich über ihr entfalten.

      Damit stellt sich die Frage nach der Unterscheidung von Grünland- und Ackerpflanzen: Diese erfolgt nicht nach botanischen Kriterien. Beispielsweise sind Getreide und Mais  botanisch ebenfalls Gräser, zählen  jedoch zweifellos zu den Ackerpflanzen.

      Unterscheidungsmerkmal ist hauptsächlich die Frage, ob die Pflanzenart üblicherweise permanent auf der Fläche verbleibt oder in eine Fruchtfolge einbezogen ist, wobei es nicht entscheidend ist, wieviel Jahre es dauert, bis die Pflanzenart wechselt.

      Dementsprechend gilt z.B. Miscanthus als Ackerpflanze und der Anbau auf einer seitherigen Grünlandfläche stellt eine „Umwandlung von Grün- in Ackerland“ dar.

      Dies spiegelt sich im Übrigen auch durch die Behandlung i. R. der Agrarförderung wider: der Anbau von Miscanthus (und anderen nachwachsenden Rohstoffen) ist u.a. auf Ackerflächen zulässig, die im Rahmen der Betriebsprämienregelung „stillgelegt“ wurden, aber weiterhin als Ackerflächen gelten.

      Darüber hinaus würde
      auch der Miscanthusanbau  in bestehendes Grünland hinein unzweifelhaft zu einer Änderung der typischen Grünland-Lebensgemeinschaften führen, was naturschutzrechtlich einen Verbots- oder Genehmigungstatbestand darstellen kann.

 

Für die Beantwortung der Anfrage sind Personalkosten in Höhe von 150,00 € entstanden.