Anfrage der Fraktion
von FW/UWG:
Mit
dem im August 2019 in Kraft getretenen "Zweiten Gesetz zur besseren
Durchsetzung der Ausreisepflicht" wurde erstmals eine landesweit
verbindliche Regelung zum Gewaltschutz in Unterkünften für Geflüchtete
eingeführt. Gemäß § 44 Absatz 2a des Asylgesetzes (AsylG) sind die Länder
verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz von Frauen und
schutzbedürftigen Personen bei der Unterbringung von Asylsuchenden zu
gewährleisten. Dies gilt gemäß § 53 Abs. 3 AsylG auch für die Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften.
Im
Jahr 2020 wurden die Mindeststandards für den Gewaltschutz in Unterkünften für
Geflüchtete in einem mehrstufigen Prozess durch involvierte
Partnerorganisationen, Vertreter von Landesministerien, Landes- und kommunalen
Behörden sowie Gewaltschutzkoordinatoren und -multiplikatoren überarbeitet und
aktualisiert. Im Jahr 2021 erfolgte eine erneute Aktualisierung der
Mindeststandards, die auf neuen gesetzlichen Regelungen und aktuellen
politischen Entwicklungen basierte.
Vor
diesem Hintergrund bitten wir um die Beantwortung der nachfolgenden Fragen zu
den Standards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften
im Landkreis Darmstadt-Dieburg.
1.
Verfügen
alle Unterkünfte für geflüchtete Menschen im Landkreis Darmstadt-Dieburg über
ein von der Unterkunft entwickeltes Schutzkonzept, das so ausgerichtet ist,
dass der Schutz aller in der Unterkunft lebenden geflüchteten Menschen,
insbesondere besonders schutzbedürftiger Personengruppen, in allen Bereichen
durch Prävention, direkte Intervention und Monitoring/Evaluation gewährleistet
wird? Wenn ja, wie sieht ein solches Schutzkonzept beispielhaft aus?
Es
gibt keine Einzelschutzkonzepte pro Unterkunft. Das Gewaltschutzkonzept „Gut
geschützt im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ (siehe Anlage 1) wird seit 2019
umgesetzt. Im Einzelnen umfasst dies:
Prävention:
·
Fortbildung des
Sozialen Dienstes, Betreiber & Hausmeister
·
Ehrenamtsausweise
& Kontrolle der polizeilichen Führungszeugnisse aller in Unterkünften
arbeitenden Personen
·
Infomaterial und
Aushänge (z.B. mehrsprachige Flyer & Poster „Hilfetelefon Gewalt gegen
Frauen“, LGBTIQ-Sticker mit QR-Code, „Auch Kinder haben Rechte“, mehrsprachige
Broschüren „Ankommen in Deutschland“ usw.)
·
Zusammenarbeit mit
Schutzmännern & Integrationsbeauftragten der Polizei,
(z.B.Gefährderansprachen), bei Bedarf
auch Informationen zu rechtlichen Themen in Dienstbesprechungen und
Dienstversammlungen
·
Informationsveranstaltungen
Kinderrechte/ häusliche Gewalt
Intervention:
Der
Sozialen Dienst in den Unterkünften und die Leitungskräfte des zuständigen
Fachbereichs intervenieren mit den folgenden Maßnahmen:
·
Stärkung der Opfer,
(Beratung, Hilfe und Begleitung beim Stellen von Anzeigen)
·
Weiterleitung an
Fachstellen und Beratungsangebote, (wenn von den Betroffenen gewünscht)
·
direkte Intervention
(Umzug bzw. Verlegung, Hausverbot, Beendigung des Nutzungsverhältnises),
·
Zusammenarbeit mit
anderen Akteuren wie Jugendamt (Fallkonferenzen), Frauenhäusern, Polizei usw.
Evaluation/
Monitoring
·
Gewisse Vorkommnisse
(Bedrohungen, Gewalt gegen Mitarbeitende) werden nach einem vorgegebenen
Ablaufplan innerhalb der Kreisverwaltung gemeldet.
2.
Wie
wird die Gewährleistung eines funktionierenden konflikt- und gewaltsensiblen
Personalmanagements auf der Grundlage normgebender Instrumente, wie einem
Verhaltenskodex und einer Selbstverpflichtungserklärung, sichergestellt?
Die
Regeln, die in Gemeinschaftsunterkünften gelten, sind in der Hausordnung
festgeschrieben. Dies umfasst auch Regeln für Mitarbeitende und Ehrenamtliche
(§ 1).
(Siehe Anlage 2)
3.
Wie
trägt die Existenz klarer struktureller Vorgaben, wie einer Hausordnung oder
eines definierten Beschwerdeverfahrens in dem jeweiligen Schutzkonzept dazu
bei, dass Bewohner Beschwerden angemessen äußern können und aktiv an der Lösung
von Konflikten teilnehmen können? Wie gewährleisten die Betreiber, dass den
Betroffenen jederzeit eine feste Ansprechperson zum Thema Gewalt sowie
unabhängige, qualifizierte Dolmetscher und Kultur- und Sprachmittler zur
Verfügung stehen?
Die
Hausordnung gibt die Rahmenbedingungen eines gewaltlosen Zusammenlebens vor und
bildet die rechtliche Basis für Abmahnungen und Sanktionen.
Beschwerden
erreichen den Fachbereich über asyl@ladadi, offene Sprechzeiten der Servicestelle.
Die Menschen wenden sich im Bedarfsfall aber auch an den Sozialen Dienst,
Hausmeister oder Ehrenamtliche. Die aktive Einbindung der Bewohnerinnen und
Bewohner wird durch den jeweils zuständigen Sozialen Dienst in den
Gemeinschaftsunterkünften gestaltet.
Die
Tatsache, dass bei Stellenbesetzungen auch Sprachkenntnisse relevant sind,
haben dazu geführt, dass die meisten häufig gesprochenen Sprachen (arabisch,
türkisch, kurdisch, persisch, farsi, dari, russisch, ukrainisch, paschtoo,
somalisch, urdu, sowie natürlich englisch, französisch, italienisch) bis hin zu
einigen Dialekte angeboten werden können, dies führt dazu, dass Menschen sich
in ihrer Muttersprache an den Sozialen Dienst wenden können. Unabhängige
Sprachmittler werden über DRK-Projekt hinzugezogen, in seltenen Fällen auch der
landkreisinterne Sprachmittler Pool (Bediensteten des Landkreises).
Die
Betreiber stellen keine Ansprechpersonen zum Thema Gewaltschutz zur Verfügung,
da dies nicht Teil ihrer Aufgaben ist.
4.
Wie
werden präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt angewendet, und auf
welche Weise erfolgt die Zusammenarbeit mit Polizei, Jugendamt und
psychosozialen Unterstützungsangeboten, unabhängig davon, ob es sich um einen
Verdacht oder eindeutige Anhaltspunkte handelt?
Siehe
Antwort auf Frage 1.
5.
Welche
präventiven Maßnahmen werden ergriffen, um gewaltfördernde Situationen in
Unterkünften zu verhindern, einschließlich struktureller Elemente,
partizipativer Angebote und der Durchsetzung von Hygienestandards? Wie werden
speziell die Bedürfnisse von Familien und Kindern in Unterkünften
berücksichtigt und unterstützt, und welche Maßnahmen werden ergriffen, um deren
Lebensführung und Privatsphäre zu gewährleisten?
Prävention
lebt davon, dass auch vage und frühe Warnzeichen wahrgenommen werden und eine
professionelle Reaktion erfolgt. Damit dies gelingt, werden die Mitarbeitenden
in Fort- und Weiterbildungen sensibilisiert und mit den erforderlichen Methoden
vertraut gemacht. Dies gilt für alle in GU tätigen Personen. Die Fortbildungen
werden von den einschlägigen Fachstellen übernommen( Wildwasser,
Kinderschutzbund). Zudem hat eine zweijährige Fortbildungsreihe in
Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt stattgefunden an der die Mitarbeiterenden
des Sozialen Dienstest teilnehmen konnten.
Bei
der Belegung von Gemeinschaftsunterkünften wird darauf geachtet, dass Familien
eher in kleineren Unterkünften, zumindest aber in reinen Familienbereichen oder
Familienunterkünften untergebracht werden. Alleinreisende Frauen werden nicht
in denselben Bereichen wie alleinreisende Männer unterbracht.
Hygienestandards
werden über die Hausordnung und Putzpläne umgesetzt. Eine nicht ausgeschöpfte
Maximal Belegung kann ebenfalls zur Minimierung von Risiken genutzt werden. Wo
bauliche Veränderungen verhandelt werden können bzw. umgesetzt werden können,
können diese dafür sorgen, dass mehrere kleine Nasszellen und Küchenbereiche
entstehen, dies ist ebenfalls eine Maßnahme zur Konfliktminimierung und zur
Verbesserung der Hygiene.
6.
Wie
wird das kontinuierliche Monitoring zur Umsetzung des Gewaltschutzes in
Unterkünften sichergestellt, um Ziele und Wirksamkeit von Maßnahmen zu
überprüfen, auf Veränderungen, Gefährdungssituationen und besondere Bedarfe zu
reagieren, und welche Rolle spielen partizipative Prozesse und Perspektiven
dabei? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um ein standardisiertes Monitoring
und eine regelmäßige Evaluierung der Schutzkonzepte in allen Unterkünften im
Zuständigkeitsbereich des Landkreises Darmstadt-Dieburg sicherzustellen?
Bisher
wird kein kontinuierliches Monitoring umgesetzt. Dies hat seine Gründe vor
allem in den dauerhaft hohen Zuweisungszahlen und Herausforderungen innerhalb
kurzer Zeit viele Menschen unterzubringen. Ein kontinuierliches Monitoring ist
jedoch wichtig und soll in der Zukunft umgesetzt werden.
Der
Landkreis ist Mitglied einer Arbeitsgruppe beim Hessischen Ministerium für
Soziales und Integration, die sich mit dem Thema Gewaltschutzkonzepte bei der
Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten beschäftigt. Hier tauschen sich
Gebietskörperschaften in Hessen aus, die ein Gewaltschutzkonzept haben und
dieses weiterentwickeln möchten. Bedingt durch die Herausforderungen, die mit
dem Zuzug der Geflüchteten aus der Ukraine verbunden waren, musste die
Arbeitsgruppe ihre Arbeit unterbrechen. Neben der Weiterentwicklung der
Konzepte findet hier auch eine Vernetzung mit Schutzeinrichtungen (z.B. dem
Safehouse für LGBTIQ-Geflüchtete in Frankfurt) statt. Eine Wiederaufnahme der
Treffen ist geplant und erfolgt auf Einladung des Landesministeriums.
7.
Wie
erfolgt die Einbindung der Nachbarn von Unterkünften für Geflüchtete in den
Prozess zur Erstellung des Schutzkonzeptes?
Nachbarn
wurden bisher nicht die Erarbeitung des Gewaltschutzkonzeptes einbezogen.
Momentan existieren auch keine unterkunftsbezogenen Einzelkonzepte.
Zur
höheren Akzeptanz der unmittelbaren Nachbarschaft werden
Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Bewohnenden und Nachbarn initiiert und
durch den Sozialen Dienst angeregt. Die Einbeziehung von Nachbarn zur
Erarbeitung von Schutzkonzepten, ist derzeit nicht geplant. Die Erstellung und
Umsetzung von geeigneten Schutzkonzepten ist Aufgabe der Gebietskörperschaft
und nicht die der Nachbarn, eine Information der Anwohnenden kann eine
Möglichkeit sein für intensivere Kontakte zu sorgen, die Anregung wird im
Einzelfall gerne aufgenommen.