Anfrage der Fraktion
der AfD:
Der von Bundesinnenministerin Faeser am 16. Februar 2023
veranstaltete Flüchtlingsgipfel endete erwartungsgemäß ohne handfeste
Ergebnisse. So sollen Arbeitsgruppen eingesetzt werden und bspw. Fragen nach
der finanziellen Belastung nach Vorschlägen dieser Arbeitsgruppen erst um die
Osterzeit weiter beraten werden.
Im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels gab es aufgrund der
enormen Belastung bereits Brandbriefe aus Landkreisen deutschlandweit. Aus dem
Rhein-Main-Geiet sind solche Brandbriefe aus den Landkreisen Bergstraße und
Main-Taunus-Kreis öffentlich bekannt.
Im Jahr 2021 wurden 217.774 erstmalige Asylanträge von
Menschen unter anderem aus Syrien, Afghanistan und der Türkei gestellt. Das ist
die höchste Zahl seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2016. Dazu kommen mehr als
eine Million Menschen aus der Ukraine.
Neben der finanziellen Belastung für die Landkreise
stellt sich die Frage nach der Unterbringung der Menschen und weiterer
Infrastruktur wie Kitaplätze, Schulplätze, medizinische Versorgung etc.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und
Gemeindebunds, Gerd Landsberg, wird auf zdf.de mit den Worten „Wir sind am Ende
unserer Unterbringungsmöglichkeiten“ zitiert. Der Präsident des Deutschen
Landkreistages, Reinhard Sager, sagte, der für die Unterbringung von
Geflüchteten erforderliche Wohnraum sei begrenzt.
Die AfD-Fraktion stellt die folgenden Fragen:
1. Wie viele Flüchtlinge halten sich derzeit im Landkreis Darmstadt-Dieburg
auf? Bitte nach Menschen aus der Ukraine und Menschen aus anderen Staaten
aufschlüsseln.
Die Anfrage benötigt die
Konkretisierung des hier verwendeten Begriffs der Flüchtlinge. Es ist zu
unterscheiden zwischen 1. Personen, die sich in einem laufenden Asylverfahren
und somit im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, 2. den Personen nach positiver
Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befinden
sowie 3. aus der Ukraine Vertriebene, auf die die sogenannten
Massenzustromrichtlinie Anwendung findet. Zu den ausreisepflichtigen Personen
wird unter Frage Nr. 6 Bezug genommen.
Zusätzlich sei auf Grund der
Übersichtlichkeit hingewiesen, dass eine Aufschlüsselung der individuellen
Staatsangehörigkeiten lediglich auf die fünf zahlenstärksten Nationaltäten
erfolgt. Die dargestellte Auswertung basiert auf den vorhandenen statistischen
Zahlen zum 01.05.2023
Personen gemäß Definition Nr. 1, im
laufenden Asylverfahren: Im Zuständigkeitsbereich der hiesigen Ausländerbehörde
befinden sich derzeit 2.095 Personen im laufenden Asylverfahren. Die Nationalitäten
schlüsseln sich wie folgt auf:
Türkei 802
Afghanistan 348
Irak 171
Iran 144
Pakistan 110
Personen gemäß Definition Nr. 2,
mit positiver Feststellung des BAMF, Feststellung der Rechtsstellung als
Asylberechtigter, Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bzw. subsidiären
Schutzstatus oder sonstige Abschiebehindernisse und humanitäre
Aufenthaltsrechte (befristete Aufenthaltstitel): 4.854 Personen
Syrien 1.369
Afghanistan 1.332
Türkei 383
Eritrea 362
Somalia 328
Personen gemäß Definition Nr. 3,
aus der Ukraine Vertriebenen im Sinne der Massenzustromrichtlinie: Zum
01.05.2023 befinden sich 2.849 Personen im Besitz einer befristeten
Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 Abs. 1 AufenthG. Hierauf können sich auch
sonstige Drittstaatsangehörige unter engen Voraussetzungen, z.B.
Familienangehörige oder langjährig in der Ukraine aufhältige Personen, berufen:
Ukraine 2.737
Russische Föderation 17
Türkei 11
Georgien 11
Armenien 10
In Gemeinschaftsunterkünften lebten
(Stand: 01.05.2023) 3.376 Personen mit unterschiedlichem Status. Davon 884
Personen aus der Ukraine.
2. Wie viele Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge stehen dem Landkreis
aktuell zur Verfügung?
Ca. 100 Gemeinschaftsunterkünfte (Stand März 2023).
3. Wie hoch ist aktuell die Auslastung der unter Frage 2 erfragten
Gemeinschaftsunterkünfte?
Zum 01.05.2023 lag sie bei 94%,
wenn man die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Plätze berücksichtigt.
Da kontinuierlich weitere Unterkünfte in Betrieb gehen und weitere Geflüchtete
zugewiesen werden, stellt dies nur eine Momentaufnahme dar.
4. Wie viele Flüchtlinge im Landkreis leben aktuell in Privatunterkünften?
Bitte nach Menschen aus der Ukraine und Menschen aus anderen Staaten
aufschlüsseln.
Die Zahl lässt sich nur für die
Personen nach Definition Nr. 1 valide ermitteln. Mit Stand 01.05.2023 lebten
807 Personen in Privatunterkünften, die sich noch im laufenden Asylverfahren
befinden.
5. Welche zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten für wie viele Menschen stehen
dem Landkreis bei einer möglichen weiteren Eskalation der Flüchtlingskrise
aktuell noch zur Verfügung?
Derzeit erhält der zuständige
Fachbereich immer noch Angebote von potentiellen Unterkunftsbetreibern.
Verhandlungen über die Anmietung finden statt, deshalb kann eine genaue Zahl
nicht genannt werden.
6. Wie viele Flüchtlinge im Landkreis sind aktuell ausreisepflichtig? Bitte
nach Herkunftsländern aufschlüsseln.
Die nachfolgend Benannte Anzahl der
Personen mit einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
im hiesigen Zuständigkeitsbereich wird perspektivisch auf Grund des sogenannten
Chancenaufenthaltsrechtes gem. § 104 AufenthG sinken. Durch den rechtlich neu
formierten zulässigen Wechsel in einen humanitären und rechtmäßigen
Aufenthaltstitel ist von einer Reduzierung dieses Personenkreises auszugehen.
Insgesamt halten sich 394 Personen
im Landkreis Darmstadt-Dieburg auf, die sich im Besitz einer Duldung befinden:
Türkei 77
Afghanistan 48
Pakistan 30
Irak 26
Syrien 26
7. Wie viele zusätzliche Kita-Plätze wurden aufgrund der Flüchtlingskrise seit
Beginn des Jahres 2021 im Landkreis geschaffen?
2021 wuchs die Zahl der Plätze um
1730 laut Betriebserlaubnis (BE). In der Kindertagespflege waren 158
Kindertagespflegepersonen gemeldet, die 697 Plätze vorhielten. Allerdings kam
es 2021 nicht zu einem außergewöhnlich hohen Zuzug von Geflüchteten in den
Landkreis. Plätze werden in den Städten und Gemeinden geschaffen, weil alle
Kinder, die dort leben einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben,
dies umfasst auch Kindertagespflegeplätze.
8. Wie viele zusätzliche Grundschul-Plätze wurden aufgrund der
Flüchtlingskrise seit Beginn des Jahres 2021 im Landkreis geschaffen?
Die Frage nach der konkreten
Schaffung von Grundschulplätzen lässt sich nicht beantworten, da nie einzelne
Grundschulplätze geschaffen werden, sondern immer ganze Klassen oder gar
Schulen.
Der Klassenteiler in Grundschulen
liegt bei 25 SuS (Schülerinnen und Schüler), wird dieser auch nur um ein Kind
überschritten muss in der Regel eine weitere Klasse eingerichtet werden. In dem
betreffenden Jahrgang ist dann noch Platz für 24 weitere SuS.
Seit Beginn des Kriegs in der
Ukraine kamen 1303 ukrainische Geflüchtete an den Schulen im Landkreis
Darmstadt-Dieburg an (Stand 21.04.2023). Nicht alle bleiben im Landkreis
Darmstadt-Dieburg. Aktuell werden über 700 SuS aus der Ukraine in
Intensivklassen beschult. Darüber hinaus, gibt es nach wie vor
Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die aus anderen Ländern zuziehen.
Zum 21.04.2023 wurden 1323
Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in 83 Intensivklassen beschult. 599
davon sind in der Primarstufe. Die Anzahl der Intensivklassen im
Grundschulbereich stieg zwischen 1.11.2021 und 21.04.2023 von 13 auf 40.
Sind weniger als 10 Kinder nicht
deutscher Herkunftssprache an einer Schule wird keine Intensivklasse, sondern
ein Intensivkurs gebildet. Diese Anzahl sank im selben Zeitraum von 27 auf 21.
In der Regel wird ein Kind ein bis
zwei Jahre in der Intensivklasse unterrichtet, ehe es in die Regelklasse
übergeht. Es nimmt aber immer wieder auch in einzelnen Fächern und Stunden am
Regelunterricht teil. In Intensivkursen nimmt das Kind direkt am
Regelunterricht teil, besucht aber zusätzlich den Intensivkurs um Deutsch zu
lernen.
Einige wenige SuS sind zum Halbjahr
2022/23 bereits in die Regelklassen übergegangen. Zum Schuljahreswechsel
2023/24 sind deutlich mehr Übergänge in die die Regelklassen zu erwarten.
Dadurch kann es zu Klassenmehrbildungen an einigen Schulen kommen. Die konkrete
Anzahl ist aber noch nicht abzusehen.
9. Wie viele zusätzliche Kita-Plätze wurden aufgrund der Flüchtlingskrise seit
Beginn des Jahres 2016 insgesamt im Landkreis geschaffen? Bitte nach Jahren
aufschlüsseln.
Nachfolgend die Auflistung der
Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen. Diese stehen jedoch nicht in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Zuwanderung von Geflüchteten, da alle Kinder
versorgt werden müssen, weil sie einen Rechtsanspruch auf einen Platz haben.
2016: Zuwachs um 793 Plätze laut BE
2017: Zuwachs um 1026 Plätze laut
BE
2018: Zuwachs um 399 Plätze laut BE
2019: Zuwachs um 568 Plätze laut BE
2020: Zuwachs um 1759 Plätze laut
BE
(Hinweis: Die
Darstellung des jährlichen Zuwachses orientiert sich an der in der
Betriebserlaubnis (BE) festgehaltenen Anzahl an Betreuungsplätzen. Die Belegung
der Plätze kann aufgrund von Integrationsmaßnahmen sowie Personalmangel von der
genehmigten Anzahl abweichen. Die Errichtung und Eröffnung eines Neubaus nimmt
in der Regel 2 – 3 Jahre, der Ausbau einer bestehenden Einrichtung oder der
Umbau eines Gebäudes nimmt in der Regel 1 -2 Jahre in Anspruch).
Seit 2016 sind 181 neue
Kinderbetreuungsplätze in der Kindertagespflege geschaffen worden. Dies kann
jedoch nicht mit der Zuwanderung von Geflüchteten verknüpft werden, da auch
mehr Kinder im Landkreis geboren wurden und alle Kinder nach §24 SGB VIII einen
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr haben.
2016: 134 Kindertagespflegepersonen
und 516 Plätze laut PE
2017: 132 Kindertagespflegepersonen
und 506 Plätze laut PE
2018: 152 Kindertagespflegepersonen
und 653 Plätze laut PE
2019: 150 Kindertagespflegepersonen
und 694 Plätze laut PE
2020: 166 Kindertagespflegepersonen
und 735 Plätze laut PE
2021: 158 Kindertagespflegepersonen
und 697 Plätze laut PE
(Hinweis: es
werden auch die pausierenden Kindertagespflegepersonen (KTPP) in die Berechnung
einbezogen und die Platzanzahl orientiert sich an der in der Pflegeerlaubnis
(PE) vereinbarten Anzahl an Betreuungsplätzen. Im Schnitt betreut eine KTPP 4
Kinder).
10. Wie viele zusätzliche Grundschul-Plätze wurden aufgrund der
Flüchtlingskrise seit Beginn des Jahres 2016 insgesamt im Landkreis geschaffen?
Bitte nach Jahren aufschlüsseln.
Die Anzahl der geschaffenen Plätze
kann nicht beziffert werden. Die Anzahl der Intensiv-SuS entwickelte sich aber
wie folgt.
|
Intensivklasse Primarstufe und Sekundarstufe I |
Intensivkurs Primarstufe |
||
SuS |
Klassen |
SuS |
Kurse |
|
2017/18 |
430 |
36 |
190 |
31 |
2018/19 |
339 |
27 |
203 |
34 |
2019/20 |
369 |
30 |
149 |
27 |
2020/21 |
316 |
27 |
189 |
33 |
2021/22 |
537 |
42 |
160 |
27 |
11. Wie stellt sich aktuell die finanzielle Beteiligung durch das Land Hessen
und/oder den Bund zur Bewältigung der Flüchtlingskrise dar?
Das Land erstattet über das
Landesaufnahmegesetz pro zugewiesener Person eine Kostenpauschale. Zudem stellt
der Bund Sonderzahlungen für die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete im SGBII
Bezug zur Verfügung.
12. Wie hoch war der finanzielle Eigenanteil des Landkreises im Rahmen der
Flüchtlingskrise im Jahr 2021?
Im Laufe des Jahres 2021 wurden dem
Landkreis ca. 500 Geflüchtete zugewiesen. Gemessen an den Zuweisungszahlen aus
dem Jahr 2022 handelt es sich hier nicht um eine außergewöhnlich hohe Zahl. Es
kann nicht von einer „Flüchtlingskrise“ gesprochen werden.
13.
Wie hoch war der finanzielle
Eigenanteil des Landkreises im Rahmen der Flüchtlingskrise insgesamt seit dem
Jahr 2016? Bitte nach Jahren aufschlüsseln.
Je nach Status der Geflüchteten erfolgen unterschiedliche Erstattungen
durch das Land Hessen und bzw. oder den Bund. Während des laufenden
Asylverfahrens werden für jede Person eine Pauschale durch das Land Hessen
erstattet, die noch für zwei bis drei Jahre (nach Ablehnung des Asylverfahrens)
weiter gezahlt werden. Die Pauschale deckt alle entstehenden Kosten
(Regelleistung, Unterbringung, Betreuung, Krankenkosten) ab. Im Rahmen der
Erstattung von Krankenkosten werden zusätzliche anfallende Kosten erstattet,
wenn sich die Krankenkosten bei einer Person über 10.000 € belaufen.
Bei Geflüchteten, die bereits bei ihrer Zuweisung einen sicherten
Aufenthaltsstatus haben (z.B. Kontingentflüchtlinge, Massenzustromrichtlinie),
die aus diesem Grund leistungsberechtigt nach dem SGB II sind, werden die
Kosten für den Regelsatz und 2/3 der Kosten der Unterkunft übernommen. 1/3 der
Kosten der Unterkunft fallen zu Lasten des Landkreises, allerdings wurden in
den letzten Jahren weitere Mittel durch Bund und Land zur Verfügung gestellt,
die zu einer 100%igen Kostenübernahme geführt haben.
In einigen wenigen Fällen fallen diese Personen in die
Leistungsberechtigung nach dem SGB XII. In diesen Fällen müssen die Kosten
vollständig durch den Landkreis getragen werden.
Nach einer Teilanerkennung oder bei einer Positiv-Zuweisung (Zuweisung mit
gesichertem Aufenthaltsstatus) erhält der Landkreis einmal ein
Integrationsgeld.
Eine valide Kosten- Einnahmegegenüberstellung ist aufgrund der Komplexität
der vielfältigen Erstattungen nicht möglich. Es lässt sich aber feststellen,
dass je länger Personen nicht mehr im Asylverfahren sind und noch in einer
Gemeinschaftsunterkunft leben, umso weniger der entstehenden Kosten werden
durch Bund oder Land übernommen.