Anfrage der
Fraktion der Freie Wähler/UWG:
Die aktuellen Ereignisse in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten veranlassen zu folgender Anfrage:
1. Gibt es im Landkreis Darmstadt-Dieburg über den Viewer des HVRM hinaus eine Kartierung, aus der Risikogebiete bei Starkregenereignissen erkennbar dargestellt werden? Wenn nein, reicht die vorhandene Kartierung aus, um eine Gefährdungslage ausreichend beurteilen zu können?
Eine Informationsquelle zur Lagebeurteilung im Falle eines
Starkregenereignisses bietet das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt
und Geologie (HLNUG). Durch diese wird Kartenmaterial mit unterschiedlicher
Informationstiefe bereitgestellt, welches im Bedarfsfalle auch durch den
Führungsstab des Landkreises zur Lagebeurteilung herangezogen wird. Eine
detaillierte Möglichkeit der Kartierung bieten die durch diese Behörde
bereitgestellten Fließpfadkarten die in unterschiedlicher Tiefe durch die
Kommunen für die jeweiligen Ortsbereiche bereitgestellt werden können. Hier
liegt die Zuständigkeit zur Beauftragung bei den Kommunen.
Für den Bereich der Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes erfolgt
eine weitere Informationsgewinnung durch die Nutzung der vom Deutschen
Wetterdienst (DWD) bereitgestellten Fachanwendungen FeWIS und WebKONRAD.
Hierüber besteht neben der Warnmöglichkeit durch den DWD eine Wetterdarstellung
im Realzeit-Monitoring.
Durch Nutzung der voran genannten Medien ist eine ausreichende Bewertung
einer Gefahrenlage möglich.
2. Welche Maßnahmen sind geplant und werden umgesetzt, um den Menschen im Landkreis mit einfachen, leicht zugänglichen und verständlichen Verhaltensregeln eine Hilfestellung für den Gefährdungsfall anzubieten? Wie werden Menschen gezielt angesprochen, die z.B. in einer Kellerwohnung und damit in einer besonderen Gefährdungslage wohnen, wie sie sich verhalten sollen, wenn draußen bereits Autos vorbeischwimmen und das Mobilfunknetz ausgefallen ist? Wie wird erhoben, wo Menschen gefährdet sind, die ohne Hilfestellung ihren gefährdeten Aufenthaltsort nicht verlassen können (Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Kinder usw.)?
Eine Information der Bevölkerung erfolgt bereits seit mehreren Jahren in
unterschiedlichen Kampagnen durch das zuständige Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
3. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um auf ein effizientes Warnsystem setzen zu können? Mit welchen Mitteln will der Landkreis sicherstellen, dass alle von einer Gefährdung betroffenen Menschen rechtzeitig gewarnt werden können, angesichts der Tatsache, dass die Katwarn-App nicht ausreichend verbreitet ist? Ist die Nutzung des CellBroadcast-Warnsystems, mit dem alle Handybesitzer gewarnt werden, angedacht? Inwieweit werden die Sirenen eingesetzt und wie wird die Bevölkerung darüber informiert, welches Signal welche Bedeutung hat?
Die Warnung der Bevölkerung ist im Landkreis Darmstadt-Dieburg auf
mehreren Säulen aufgestellt. Seitens der Zentralen Leitstelle können als
durchführende Institution des Führungsstabes Warnungen über verschiedene Medien
veranlasst werden.
Eine Säule bildet das Modulare Warnsystem (MoWaS). Hierüber können neben
den WarnApps Hessenwarn und KatWarn Warnungen über folgende Dienste abgesetzt
werden:
·
alle öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
·
private Rundfunkbetreiber: 45
überregionale und 80 lokale (Stand: 2008)
·
Nachrichtenagenturen: dpa, AFP,
dts Nachrichtenagentur
·
Stadtwerbetafeln der Firmen Ströer Media und Wall GmbH
·
Telekommunikationsunternehmen: T-Online International
·
Pagerdienst e*Message
·
Konzernlagezentrum der Deutschen Bahn AG (Durchsagen an Bahnhöfen und in Zügen)
·
Warn-App NINA des BBK, BIWAPP (Warnapp
der Firma Marktplatz GmbH), die
App Katwarn der Combirisk
GmbH und andere Warnapps
·
Warnungsportal des BBK
Eine weitere Säule bildet das in 22 der 23 Kreiskommunen flächendeckend
vorhandene Sirenennetz. Hierüber kann durch die Zentrale Leitstelle ebenfalls
eine Auslösung eines orts-/stadtteilbezogenen Alarms erfolgen. Eine regelmäßige
Überprüfung der Sirene erfolgt monatlich, sowie zusätzlich im Rahmen der
bundes-/hessenweiten Warntage.
Eine weitere Rückfalleben bildet die Nutzung von Fahrzeugen zur
Durchführung von Lautsprecherdurchsagen in gefährdeten Gebieten.
Die Möglichkeit des Zugriffs auf ein CellBroadcast-System steht derzeit
bundesweit nicht zur Verfügung.
Gemäß § 53 Abs. 1 Hessisches
Wassergesetz (WHG) richten die Wasserbehörden an den oberirdischen Gewässern
Hochwasserwarn- und -meldedienste ein, um die örtlich zuständigen Behörden und
die Öffentlichkeit in den betroffenen Gebieten rechtzeitig vor zu erwartendem
Hochwasser zu warnen. Gemäß § 63 Abs. 3 HWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1
Ziffer 7 der Rechtsverordnung über die Zuständigkeit der Wasserbehörden (GVBL.
I 2011 Seite 198) ist das Regierungspräsidium Darmstadt für die Errichtung, den
Betrieb und die Unterhaltung von Mess-, Beobachtungs- und
Datenverarbeitungseinrichtungen zuständig. Aufgrund der o.a. Regelungen sind
demnach die Unteren Wasserbehörden für die Hochwasserdienstordnungen (HWDO)
zuständig. Darüber hinaus haben die Gemeinden einen Wasserwehrdienst einzurichten,
wenn sie erfahrungsgemäß durch Überschwemmungen gefährdet werden. Das Nähere
regeln die Gemeinden durch Ortssatzung (§ 53 Abs. 2 HWG).
4. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Helferinnen und Helfer vor Ort und die Hilfs-, Rettungs- und Katastrophenschutzdienste zielgerichtet zu informieren? Welche weiteren Hilfskräfte neben den Rettungsdiensten werden in den Informationsprozess einbezogen?
Die Einsatzkräfte der Einheiten der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr
werden im Bedarfsfalle über die regelhaft genutzten Informations- und
Alarmierungswege informiert. Eine Einbeziehung weiterer Fachberater erfolgt
analog dem regelbetrieb in der täglichen Gefahrenabwehr durch entsprechend zur
Verfügung stehende Fachberater unterschiedlicher Organisationen.
5. Welche Maßnahmen und Hilfestellungen werden den Kommunen bei zukünftigen Neubauentwicklungen seitens des Landkreises empfohlen? Welche Hilfestellungen bietet der Landkreis den Kommunen zur Erhöhung ihrer Klimaresilienz an?
Seitens des
Fachbereiches Brand- und Katastrophenschutz erfolgt dies in der Beratung der
Kommunen zur Installation von Möglichkeiten zur Warnung der Bevölkerung (Aufbau
Sirenennetz). Aktuell wurde hierzu auch ein Förderprogramm des Bundes
aufgelegt.
Grundsätzlich obliegt den Kommunen die
Planungshoheit unter Beachtung der aktuellen gültigen Gesetzeslage.
Darüber hinaus hat das Hessische
Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(HMUKLV) eine Arbeitshilfe zur Berücksichtigung von wasserwirtschaftlichen
Belangen in der Bauleitplanung im Internet veröffentlicht. Der dazugehörige
Erlass sowie die Arbeitshilfe kann von der
Internetseite des Regierungspräsidiums Darmstadt unter https://rp-darmstadt.hessen.de/umwelt/gew%C3%A4sser-und-bodenschutz/grundwasserwassershyversorgung/links-downloads
abgerufen werden.
Weiterhin stehen
wir als Untere Wasser- und Bodenschutzbehörde den Kommunen bei Fragen beratend
zur Verfügung.
Zudem bestehen Maßnahmen
aus dem Integrierten Klimaschutzkonzept des Landkreises und seinen Kommunen:
·
UM10 Umsetzung einer
energieoptimierten Stadt- / Gemeindeplanung und Bauleitplanung
·
UM11 Berücksichtigung von
Energieeffizienz bei der integrierten Dorf- und Stadtentwicklung
·
UM 12 Erarbeitung von Konzepten zu
integrierten, energie- und klimaeffizienten Quartiersversorgung (Wärme. Kälte,
Strom, Mobilität)
·
KE 1 Erarbeitung klimapolitischer
Ziele und Leitlinien für die kommunalen Liegenschaften
·
Eff 6 Modellprojekt „Energieeffiziente
Neubaugebiete Wohnen“
·
Eff 7 Modellprojekt „Energieeffiziente
Gewerbegebiete“
Leitlinien zum
nachhaltigen Bauen des Da-Di-Werks: Näheres unter: https://www.ladadi.de/index.php?eID=tx_securedownloads&p=16587&u=1&g=0&t=1631803911&hash=4fd6dbd778f1d69d0cb53f91fc5ab7c8be0f046f&file=fileadmin/user_upload/Medienarchiv/Eigenbetriebe/DA-DI-Werk/Downloads/Leitlinien_zum_nachhaltigen_Bauen/Leitlinien_zum_nachhaltigen_Bauen_2018_Version1_1.pdf
Teilnahme des
Landkreises Darmstadt-Dieburg bei Forschungsprojekt PERFORM der IHK Rhein-Main
und Hochschule Darmstadt: Näheres unter: https://www.darmstadt.ihk.de/produktmarken/standpunkte/raumordnung/perform-zge-handlungsfeld-klimaresilienz-5080688
Projekt KlaDaDi mit
Klimaanpassungs-Steckbriefen für Kreiskommunen: Näheres unter: https://www.ladadi.de/wirtschaft-infrastruktur-freizeit/klimaschutz/klimaanpassung/projekt.html
Begründung:
In NRW und Rheinland Pfalz hat sich gezeigt, dass die Wetterdienste nur sehr kurz vor einem gefährlichen Wetterereignis warnen können. Dort konnten der Starkregen (200Liter pro qm) und das drohende Hochwasser nicht früher als 24 Stunden vor Entritt der Flutwelle an die Katastrophenschutzstellen des Landkreises gemeldet werden. Die Rekonstruktion der darauf folgenden Geschehnisse hat gezeigt, dass sowohl die Alarmierungskette, als auch die Infrastruktur des Katastrophenschutzes und die Warnung der Bevölkerung verbessert werden müssen. Mit Aussagen wie "So eine Katastrophe hält niemand auf." ist es nicht getan. Es muss vielmehr in erster Linie darum gehen, die Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen eindringlich zu warnen und rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Nun gilt es, aus den Fehlern für die Zukunft zu lernen.