Sitzung: 25.09.2006 Kreistag
Beschluss: Kenntnis genommen
Anfrage der Fraktion von WASG-Die Linke-DKP:
Unsere Gespräche mit ALG II Bezieher ergaben mehrheitlich, dass ein sozial bestimmtes Leben mit dem Regelsatz mit
- 4,34 € pro Tag für Ernährung und Getränke
- 0,34 € pro Tag für Kneibenbesuch
- 0,60 € pro Tag für den öff. Nahverkehr
- 0,60 € pro Tag Telefonkosten incl. Grundgebühr
- 0,15 € pro Tag für Freizeit
kaum möglich ist. Zumal diese Beträge oftmals nur auf dem Papier stehen, weil die tatsächlichen Miet- und Heizkosten nicht anerkannt, weil Bewerbungs- und Gesundheitskosten nicht bezahlt werden. Weil einmalige Anschaffungen nicht von den 345 € Regelsatz (oftmals viel weniger) nicht angespart werden können. Nach unserer Meinung bedeuten 345 € monatliches Einkommen Existenzunsicherheit und soziale Isolation! Nicht umsonst fordern wir: „Diese Hartz IV Regelung muss weg! Der Regelsatz muss auf mindestens 500 € pro Monat erhöht werden!“ ALG II reicht für die Meisten nicht aus um bis zum Monatsende über die Runden zu kommen! Bettelnde ALG II Bezieher sind nicht nur auf Reinheims Straßen anzutreffen…
Wir glauben, dass die Mehrheit der 515 eingeleiteten Ermittlungen über zurückgeforderte Sozialleistungen im 4. Quartal 2005 auf oben beschriebene Fakten dieser Verarmungsspirale zurück zu führen sind.
Daher fragen wir:
1) Gibt es seitens der KFB Erkenntnisse über den Verarmungsgrad von ALG II Bezieher, darüber dass sie mit diesem Regelsatz – oftmals noch viel weniger – nicht leben können?
Der Kreisagentur für Beschäftigung liegen darüber keine Erkenntnisse
vor. Aufgabe der Kreisagentur ist es als kommunaler Träger das SGB II
anzuwenden und umzusetzen.
2) Gibt es Erkenntnisse wie viele ALG II Bezieher im Gebiet DA/DI bei der KFB überschuldet sind. Wieviele der ALG II Bezieher müssen von ihrem Regelsatz noch laufende Kredite zurückzahlen, um z.B. Energiekosten zu tilgen?
Valide Daten über die Verschuldung von Leistungsbezieher/innen
insgesamt können nicht gegeben werden, da diese nicht immer Auskunft über ihre
Verschuldung erteilen.
Im Monat August registrierte die Kreisagentur 380 Personen, die eine
eidesstattliche Versicherung abgegeben haben.
Auch über die Anzahl der Personen mit laufenden Krediten ist eine
verlässliche Zahl nicht möglich. Die Kreisagentur kann lediglich Auskunft darüber
erteilen, dass z.Zt. bei 1.225 Bedarfsgemeinschaften Verrechnungen mit
bestehenden Forderungen der Kreisagentur vorgenommen werden. Hierin sind auch
Energiekosten enthalten.
3) Wie viele von Ihnen erhalten nicht ihre gesamtem Mietkosten von der KFB erstattet, weil die vorhandene Wohnung evtl. ein wenig zu groß ist?
Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sind in § 22 SGB II geregelt.
Hier heißt es dazu: „Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht soweit diese angemessen sind…..Soweit die
Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls
angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf…so lange zu
berücksichtigen,, wie es dem allein stehenden Hilfebdürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft
nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten
oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens
für sechs Monate“. Die Kreisagentur gewährt auf dieser Grundlage bei der
Angemessenheit übersteigender Miete Kosten der Unterkunft (KdU) für Unterkunft.
Darnach überlässt die Kreisagentur dem Hilfebedürftigen die Entscheidung sich
eine andere Wohnung zu suchen oder die die Angemessenheit übersteigenden Kosten
selber zu tragen.
Bisher haben 79 Umzüge aufgrund zu hoher Mieten stattgefunden.
Die überwiegende Anzahl der Hilfebedürftigen kompensiert die
Mietzahlungen durch Freibeträge, Mehrbedarfe, anrechnungsfreie Einkommen oder
Erziehungs- und Kindergeld.
Das Sozialgericht Darmstadt folgt in den bisherigen Beschlüssen der
festgelegten Angemessenheit der Miete im Landkreis.
Eine valide Zahl über die Höhe der Mieten kann auf elektronischem Wege
nicht ermittelt werden. Für eine händische Aufbereitung fehlen der Kreisagentur
die personellen Mittel.
4) Sind die im 4. Quartal 2005 rück geforderten Sozialleistungen von ca. 178 TEuro nur den 185 Fällen von Rückforderungsbescheiden zuzurechnen?
Ja, diese sind nur den Rückforderungsbescheiden zuzurechnen.
5) Stimmt es was uns berichtet wurde, dass der im 4. Quartal angegebene Betrag (s.Pkt. 4) nur deshalb so hoch ist, weil Rückforderungen der 3 vorherliegenden Quartale aus 2005 nur unvollständig bzw. gar nicht erfolgten?
In den ersten drei Quartalen des Jahres 2005 konnte kein Datenabgleich
durchgeführt werden, da es im SGB II zunächst keine gesetzliche Grundlage für
einen Datenabgleich der Optionskommunen gab. Dies wurde zwischenzeitlich
geändert. Auf der Grundlage des BSHG konnten quartalsweise Abfragen
durchgeführt werden. Einen Rückschluss auf die Höhe der Rückforderungen kann
nicht hergestellt werden, da dies der erste Datenabgleich auf der Grundlage des
SGB II war.
6) Wie hoch war der Betrag der Rückforderungen (Wir halten den Begriff „Leistungsbetrug“ hier fragwürdig) im 1. bzw. 2. Quartal 2006?
Der Rückforderungsbetrag für die ersten Quartale 2006 steht noch nicht
fest, da erst im Oktober eine Auswertung erfolgen kann.
Die Rückforderungen werden gemäß dem SGB II und SGB X durchgeführt und
somit handelt es sich hier tatsächlich um Leistungsbetrug.
In der politischen Diskussion wird nicht genügend differenziert
zwischen Leistungsbetrug und umfassender, rechtmäßiger Ausnutzung des SGB II.
7) Gab es auch Rückzahlungen an die KFB durch Ursachen, die nicht im Verantwortungsbereich der ALG II Bezieher lagen, sondern evtl. durch behördliches Fehlverhalten, durch veränderte Gesetzgebung – oder gar durch Fehler von Fallmanager hervorgerufen wurden?
Nein, dies gab es unseres Wissens nicht.
Für die Beantwortung dieser Fragen wurden 7,5 Stunden benötigt. Es sind Personalkosten in Höhe von 400,50 Euro entstanden.