Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der Fraktion von Die Linke:

 

In einer Studie der Hochschule Koblenz- sowie in dem vorliegenden Buch „Berufliche Realitäten im Jugendamt: Der ASD in strukturellen Zwängen“ wurde die Frage gestellt „Was läuft falsch beim Kinderschutz?“ Wurde bundesweit den Jugendämter ein schlechtes Zeugnis erstellt. Hierzu fragen wir wegen dem Jugendamt Darmstadt Dieburg an:

 

Zu den Aufgaben der Fachkräfte im Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes gehören (entsprechend SGB VIII):

  • Hilfen zur Erziehung einrichten und begleiten durch regelmäßige Hilfeplanung/ dto für unbegleitete Kinder und Jugendliche
  • Eingliederungshilfen/Inklusion für Kinder und Jugendliche
  • Kinderschutz
  • Aktenführung und genaue Dokumentation
  • Anträge vom Familiengericht bei Trennung/Scheidung
  • Sorgerechtsberatung
  • Erziehungsberatung
  • Inobhutnahme
  • Frühe Hilfen /auch Kontrolle gelbes U Heft
  • Hilfen für junge Volljährige
  • Kontakt mit anderen Ämtern
  • Netz und Stadtteilarbeit

 

1.      Wie viele Vollzeitstellen sollen sich im Jahr 2018 um diese Aufgaben kümmern?


35 VZÄ in vier Regionalteams mit jeweils einer Fachgebietsleitung (FGL)

 

2.      Wie viele Fälle pro Mitarbeiter des ASD Darmstadt Dieburg sind somit zu bewältigen?


Pro Jahr etwa 82, Tagesaktuell etwa 40-45 (leichte Zunahme gegenüber Zahlen 2017)

 

Sozialdezernentin Rosemarie Lück sprach unlängst davon, dass der Landkreis Darmstadt Dieburg gut aufgestellt sei. Sie widersprach damit den vorliegenden Studien der Hochschule Koblenz und dem Ergebnis des o.g. Buches. Hier wurde klar geäußert, dass die Jugendämter – mit regionalen Unterschieden – personell stark unterbesetzt seien. Es herrsche in den Jugendämter starker Geld- und Zeitmangel.

 

Die Sozialdezernentin hat nicht den Ergebnissen der Studie widersprochen. Siehe Antwort zu Frage 14

 

Versteht es DIE LINKE richtig, dass diese erhobene Kritik nicht für das Jugendamt des Landkreises Darmstadt Dieburg gilt und alle o.g. Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit der Betroffenen erledigt werden können?

 

3.      Wie viel der vorhandenen Zeit muss im Jugendamt ASD – DA-Di für Dokumentation aufgewendet werden? (Bundesweit sind dies über zwei Drittel der vorhandenen Zeit) Wenn es im Landkreis Darmstadt Dieburg weniger ist, was sind die Gründe?


Die Falldokumentation ist je nach Fallkonstellation sehr differenziert. Der Umfang der Dokumentation ist in den Phasen der Hilfeerbringung, (Hilfeeinleitung/Bedarfsermittlung und laufende Hilfe, Einstellung) unterschiedlich. Die Dokumentation dient der Aufzeichnung von fachlichen Einschätzungen und somit dem Fallverständnis. Dies ist in der Sachbearbeitung von erheblicher Bedeutung,  um den Hilfeplanprozess passgenau  zu gestalten und auf sich verändernde Bedarfe einzugehen. Entscheidungen der Mitarbeitenden müssen nachvollziehbar in der Dokumentation abgebildet werden. Auch sind die Zeiten in denen sich die Mitarbeitenden in kollegialen Beratungsteams zur fundierten Entscheidungsfindung befinden, hierzu zu zählen. Somit stellt die Falldokumentation einen wichtigen Teil der fachlichen Arbeit dar. Im Bereich der Hilfeeinleitung/ Bedarfsermittlung  beträgt diese ca. 80 bis 90% der fallbezogenen Arbeitszeit, aus den oben genannten Gründen. Im Bereich der laufenden Hilfen reduziert er sich auf ca. 50 bis 60% der Fallarbeitszeit.
Über einen gesamten Hilfeverlauf kommt man auf Durchschnittswerte von ca. 60 bis 70% der Fallarbeitszeit.

 

4.      In den Jugendämtern muss immer zweigleisig gedacht werden. Einerseits die Hilfe andererseits die Kontrolle. Reicht hierzu im Landkreis Darmstadt Dieburg die vorhandene Zeit und das vorhandene Personal?

Die Zentrale Rechtgrundlage für die Arbeit des Jugendamtes ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), welches im SGB VIII niedergeschrieben ist. Das KJHG ist das grundlegende Gesetz für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten und es ist ein Instrument der Prävention, der Hilfestellung und des Schutzes. Als das KJHG am 1. Januar 1991 in Kraft trat, löste ein präventiv orientiertes Leistungsgesetz das bisherige eingriffs-und ordnungsrechtliche Instrumentarium ab. (Vgl. Kathinka Beckmann, Thora Ehlting und Sophie Klaes, Berufliche Realität im Jugendamt: ASD in strukturellen Zwängen, Berlin 2018, S. 12 f.). Daraus sind die Aufgaben erwachsen,  junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern, sie vor Gefahren zu schützen und ihre Eltern und Sorgeberechtigten zu unterstützen. Grundsätzlich bewegt sich die Jugendhilfe im Spannungsfeld zwischen möglichst wenig Eingriffen in die Familien einerseits und der staatlichen Verpflichtung zum Schutz des Kindes andererseits. Die Balance in diesem Spannungsfeld zu halten, ist die tägliche Aufgabe der im sozialen Bereich Tätigen.
Diese Aufgaben sind über das gesamte Jugendamt verteilt und beziehen sich nicht ausschließlich auf den ASD und umfassen auch Angebote von Freien Trägern und Kommunen.
Im Bereich des ASD des Jugendamtes ist die Personalsituation angespannt, obwohl das Personal im ASD in den zurückliegenden  Jahren kontinuierlich aufgestockt wurde.
Insgesamt ist die Beantwortung der Frage komplex. Die Situation von Familien in Deutschland und auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg muss verbessert werden. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine Aufgabe, die allein der ASD des Jugendamtes übernehmen kann.  Auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle. Die öffentlichen Mittel für Leistungen der Jugendhilfe werden zu 78% auf der kommunalen Ebene erbracht, 19% durch die Länder und 3% durch den Bund (vgl. ebd. S. 21ff), damit tragen die Kommunen die Hauptlast und damit kommt es auch zu sehr unterschiedlicher Ausstattung innerhalb der Jugendämter, was ebenfalls in der Studie herausgearbeitet wird.

 

5.      Wie viel Zeit bleibt der ASD Mitarbeiter/in für Klienten- und Hilfeerbringerkontakte einschließlich Fahrtwege? (nur ca. 40%)

Sie Antwort zu Frage 3

 

6.      Ergebnis der Studie war „Es fehlte an Diensthandys und an Dienstwagen. In den Jugendämtern in Hessen gebe es für 100 Mitarbeiter/innen nur 2 Dienstwagen. Erklären sie, warum dies im Jugendamt Darmstadt Dieburg nicht so ist.

Es stehen ausreichend Dienstwagen zur Verfügung (10 Fahrzeuge). Diensthandys stehen ebenfalls zur Verfügung.

 

7.      In obiger Studie wird gesagt „Natürlich wäre mehr Personal gut, weil der ASD mehr Zeit hätte und sich den einzelnen Fällen besser widmen könne.“ Erklären sie warum dies im Landkreis Darmstadt Dieburg anders ist.

Dies ist auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg so. Siehe dazu auch Antwort auf Frage 4.

 

8.      In obiger Studie wird gesagt, dass vielerorts den Fachkräften kein eigenes Büro zur Verfügung steht – ebenso kein Ausweichraum. Erklären sie warum dies im Jugendamt Darmstadt Dieburg nicht der Fall ist und wenn doch, was sie gedenken dagegen zu tun?

Mit dem Umzug des Jugendamtes in die Mina- Ress- Str. hat sich die räumliche Situation entspannt. Es stehen für den ASD Fachkräfte Einzelbüros in ausreichender Zahl sowie Besprechungsräume zur Verfügung.

 

9.      Der Jugendhilfeausschuss (JHA) hat – zu mindestens theoretisch - politische Gestaltungsmacht. Beantworten sie an praktischen Beispielen die Frage, wie die politische Gestaltungsmacht des JHA im Landkreis Darmstadt Dieburg aussieht und wie sich der JHA zusammensetzt?

Nach §71 SGB VIII befasst sich der JHA mit der Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien sowie mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe, der Jugendhilfeplanung und der Förderung der freien Jugendhilfe.
Als Beispiel wurde im JHA über die „Richtlinien über Förderung der Jugendarbeit der freien Träger im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ und die „Richtlinie über die Förderung von Ferienfreizeiten (gemäß §11 KJHG-SGBVIII)beraten, sowie über die Konzeption „Kindertagesstätten auf dem Weg zu Familienzentren“. Jährlich wird der Wirtschaftsplan für den Bereich der Jugendhilfe beraten.

 

10.  Hat der JHA jemals mit Falldarstellungen oder Überlastungsanzeigen im Kreistag über die ASD Situation berichtet bzw. Verbesserungsvorschläge diskutiert. Oder gibt es aus Sicht des JHA keine Probleme im Jugendamt Darmstadt Dieburg?

Der JHA berichtet nicht im Kreistag. In der letzten Sitzung des Ausschusses wurde über die hier zitierte Studie diskutiert und Fragen dazu beantwortet. Ferner kann die Verwaltung keine Einschätzung zur Sichtwiese und Einschätzung des JHA geben, dies können nur deren Mitglieder.

 

11.  Halten die Verantwortlichen des Landkreises Darmstadt Dieburg die Forderung an die Politik für richtig und wichtig eine Fallzahlbegrenzung für Mitarbeiter/innen der Jugendämter generell und besonders für die Mitarbeiter/innen des ASD Darmstadt Dieburg zu fordern?

Ein Personalbemessungssystem mit unterschiedlichen Parametern würde der Unterschiedlichkeit der Fälle und damit der Belastung der Mitarbeitenden besser gerecht werden als eine starre Fallzahlgrenze.

 

12.  Gibt es einen „Ersatzpuffer“ für erkrankte, überlastete oder in Urlaub befindliche Mitarbeiter/innen?

Die Fallarbeit im ASD bedarf einer Kontinuität, da sie auch immer Beziehungsarbeit zu den Kindern, Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten ist. Die Fachkraft durch eine andere Person zu ersetzen ist deshalb nicht sinnvoll. Für Urlaubs- und Krankheitszeiten sind Vertretungsregelungen berücksichtigt.

 

13.  Die Hälfte der Befragten Mitarbeiter/innen der ASD Fachkräfte fühlen sich in ihrer Arbeit von der kommunalen Haushaltslage abhängig. Der JHA habe die Möglichkeit die finanzielle Lage der Jugendämter positiv zu beeinflussen. Geschieht und geschah dies im Landkreis Darmstadt Dieburg oder sehen die Verantwortlichen hierzu keine Notwendigkeit?

Dies kann für den Landkreis Darmstadt-Dieburg nicht bestätigt werden. Die sächliche und personelle Ausstattung der Verwaltung des Jugendamtes ist Angelegenheit der Gebietskörperschaft. Der Wirtschaftsplan wird im JHA beraten und damit hat der Ausschuss die Möglichkeit Einfluss zu nehmen.

 

14.  Halten die Verantwortlichen an Hand der vorliegenden Ergebnisse der Studie der Hochschule Koblenz bzw. denen des o.g. Buches es für zwingend erforderlich, generell die Personalsituation im ASD DA-DI in Bezug auf Dienstfahrzeuge, eigene Büroräume und des Personales um mindestens 10 % zu erhöhen oder sei „die Personallage zwar angespannt – aber das Jugendamt Darmstadt Dieburg sei gut aufgestellt“ (Aussage R. Lück) passt nicht zusammen.

Das Jugendamt des Landkreises Darmstadt-Dieburg ist fachlich seht gut aufgestellt. Die technische und räumliche Situation ist gut. Eine Aufstockung der Personalsituation  muss sich an den Anforderungen, so z.B. der Fallzahlsteigerung, orientieren.