Anfrage der Fraktion der CDU:
Vorbemerkung des Fragestellers:
Es gibt in der Kreisverwaltung eine Neubewertung der Übernahme der Fahrtkosten für Schulkinder gemäß § 161 Hessisches Schulgesetz (HSchg). Z. B. in Otzberg werden für einige Schülerinnen und Schüler ab dem Schuljahr 2018/19 die Beförderungskosten nicht mehr übernommen, denn diese Schülerinnen und Schüler aus Habitzheim könnten einen unbeleuchteten und unbefestigten Fußweg zur Otzbergschule in Lengfeld nehmen. Hiergegen regt sich starker Elternprotest.
1. Wann und durch wen wurde die Neubewertung der Beförderungskosten vorgenommen?
Die hier betroffene Situation in Otzberg ist am 06.02.2018 durch den
Fachbereich Schulservice entschieden worden.
2. Welche Bemessungsgrundlage gilt für die Neubewertung?
Es gibt keine separate „Bemessungsgrundlage für Neubewertung“ eines
Schulweges. Rechtsgrundlage ist der § 161 des Hessischen Schulgesetzes
(HSchG). Grundsätzlich ist jeder Antrag als Einzelfallprüfung zu betrachten,
sodass Prüfungen der vorliegenden Voraussetzungen fortlaufend stattfinden. Eine
Gleichbehandlung im Unrecht ist nicht Bestandteil von Ermessensspielraum einer
Behörde. Vielmehr wurde der konkrete Schulweg zwischen Habitzheim und der
Otzbergschule vom zuständigen Polizeipräsidium Südhessen hinsichtlich einer
besonderen Gefährdung bewertet und diese Bewertung in die Entscheidung
einbezogen. Der Schulweg wurde polizeilich nicht als besonders gefährlich
eingestuft. Der Begriff der besonderen Gefahr ist in der Kommentierung zu § 161
Hessisches Schulgesetz näher erläutert:
Der
Entfernungsmaßstab kann nach Abs. 2 Satz 2 dann zurücktreten, wenn der Schulweg
eine besondere Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit der Schülerinnen und
Schüler bedeutet. Die allgemeinen Gefährdungen, die für die Mehrzahl der
Schülerinnen und Schüler mit dem Schulweg verbunden sind, wie die städtische
Verkehrsgefährdung, Überquerung stark befahrener Straßen, Unterführungen,
wenig genutzte Wege im
ländlichen Bereich, begründen keine Ausnahme. Es
müssen besondere Umstände hinzutreten, z. B. größere Strecken entlang stark
frequentierter Straßen ohne getrennten Fußweg, Wege durch unübersichtliches
oder unwegsames Gelände und dichten Wald (zu den Anforderungen s. VG
Darmstadt, Urt. vom 16.8.2000 - 7 E 2095/98 - und VG Gießen, Urt. vom 17 .
12.2001 - 3 E 2956/01); an einem Brennpunkt der Drogenszene entlang (OVG NRW,
Beschl. vom 21.8.2000 - SPE n. F. 670 Nr. 71) oder nach den Umständen des
Einzelfalls die Gefahr eines Sexualverbrechens (OVG NRW, Beschl. vom 15.9.1997
- SPE n. F. Nr. 69 - und VG Stade, Urt. vom 1. 10.2007 -, NVwZRR 2008 S. 398).
Die gesetzliche Differenzierung zwischen Gefahr und besonderer Gefahr ist
sachlich gerechtfertigt. Der Schulweg liegt grundsätzlich im
Verantwortungsbereich der Eltern. Sie müssen ihre Kinder, soweit es ihnen objektiv
möglich ist, beaufsichtigen, sie auf Gefährdungen aufmerksam machen und zu
verkehrsgerechtem Verhalten erziehen. Der Schulträger kann über
Schulwegsicherung, insbesondere den Schülerlotsendienst, über Schulwegpläne und
die Schule über die Verkehrserziehung die Eltern dabei unterstützen, aber nicht
ihre Verantwortung übernehmen.
Der
Begriff der besonderen Gefahr ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem
Schulträger einen Beurteilungsspielraum gibt, der gerichtlich überprüfbar ist.
Maßstab für die Feststellung der besonderen Gefährlichkeit sind nur die
objektiven Gegebenheiten des Schulwegs, nicht subjektive Einschätzungen. Der
Schulträger kann dazu auch sachverständige Gutachten der Polizei- und
Verkehrsbehörden einholen. Auszugehen ist von der Verkehrsreife der
Schülerinnen und Schüler. Dies kann in einer Schule der Grund- und der
Mittelstufe daher zu einer differenzierten Bewertung der Gefährlichkeit führen.
Auch dann, wenn die Überprüfung des Schulträgers zu dem Ergebnis führt, dass
eine besondere Gefahr gegeben ist, steht es in seinem Ermessen, ob er die
Beförderung als notwendig anerkennt. Er muss die Gefährdung des Kindes mit
seinen in der Regel fiskalischen Interessen abwägen (vgl. VG Wiesbaden, Urt.
vom 4.3.1994 - VIII 2 E 413/91).
3. Werden durch die Neubewertung Kosten eingespart? Wenn ja, wie viele?
Es erfolgen für einige Adressen in Otzberg/Habitzheim ab dem Schuljahr
2018/2019 keine Erstattungen für Fahrtkosten zur schulformbezogenen Real- oder
Hauptschule (5.-9. oder 10. Klasse). Es finden Einsparungen im Budget der
Schülerbeförderung statt, insofern Schulkinder aus den genannten Schulformen in
den betroffenen Habitzheimer Adressen wohnen.
Im Schuljahr 2017/2018 wären 12 bis 15 Schulkinder betroffen gewesen.
Dies entspricht einem Erstattungskostenaufwand im öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) von ca. 4.380,00 € bis 5.475,00 € (bezogen auf
das Schülerticket Hessen mit dem Preis von jährlich 365,00 €).
4. Gibt es auch in anderen Kommunen den Wegfall der Beförderungskosten aufgrund der Neubewertung? Wenn ja, in welchen?
Diese Entscheidung betrifft ausschließlich den Otzberger Ortsteil
Habitzheim.
5. Ist es den Schülerinnen und Schülern zumutbar (auch z. B. in der kalten/dunklen Jahreszeit) einen unbefestigten und unbeleuchteten Fußweg zwischen zwei Ortsteilen als Schulweg zu nutzen? Wenn ja, gibt es vergleichbare Fußwege in anderen Kommunen?
Der Landkreis Darmstadt-Dieburg bewertet durch seinen Fachbereich
Schulservice unbefestigte Gehwege als nicht geeignet für Schulwege, sofern bei
nasser Witterung ein sicheres Gehen stark eingeschränkt erscheint. Der
Beleuchtungszustand ist für die Eignung als Schulweg hingegen nicht
ausschlaggebend. Ebenfalls ist nicht zu berücksichtigen, welche Kleidung der
vorherrschenden Witterung angemessen ist. Hier (Otzberg/Habitzheim) betroffen
ist allerdings kein unbefestigter Weg, sondern der befestigte Geh- und Radweg
entlang der Kreisstraße K121.
Ähnliche Situationen bestehen zum Beispiel im Bereich
Weiterstadt/Schneppenhausen und Weiterstadt/Gräfenhausen. Hier ist der Fußweg
entlang der Kreisstraße K165 zwischen Schneppenhausen und Weiterstadt sowie
zwischen Gräfenhausen und Erzhausen betroffen. Auch hier besteht für betroffene
Schüler/innen kein Anspruch auf Übernahme der Schülerbeförderung, sofern die
Kilometergrenze von 3 km nicht überschritten wird.