Nachtrag: 30.01.2017

Beschluss: Kenntnis genommen

Die Verwaltung des Jugendamtes

 

weist mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung in verschiedenen Medien zur Betreuungssituation im KiTa-Bereich im Landkreis Darmstadt-Dieburg (z. B. Mühltal, Weiterstadt, Münster) darauf hin, dass sich hierdurch erhebliche Risiken für den Landkreis Darmstadt-Dieburg ergeben.

 

Dem Landkreis Darmstadt-Dieburg als örtlichem öffentlichem Träger der Jugendhilfe obliegt gem. § 79 SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII).

 

Dies bedeutet, dass ihm auch die Verantwortung für die Einlösung gegebener Rechtsansprüche auf Kindertagesbetreuung und die Sicherstellung der Qualität der Betreuung in Kindertageseinrichtungen obliegt (§§ 22 ff. SGB VIII).

 

Den hierbei durch § 26 SGB VIII eingeräumten Landesrechtsvorbehalt im Bereich der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege hat das Land Hessen durch den 2. Teil des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches (§§ 25 ff. HKJGB) gefüllt.

 

Hinsichtlich der Bedarfsplanung und Sicherstellung des Betreuungsangebotes im Kindertagesbereich, wurde den kreisangehörigen Städten und Gemeinden durch die Vorgaben des § 30 HKJGB Verantwortung dafür zugewiesen, dass die nach einem Bedarfsplan in ihrer Kommune vorzusehenden Plätze in Tageseinrichtungen in der Kindertagespflege zur Verfügung stehen. Die kreisangehörigen Kommunen werden also zur Durchführung von Aufgaben der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege in Hessen herangezogen.

 

Nach dem geltenden Recht besteht damit eine gemeinsame Verantwortung zwischen dem Landkreis als örtlichem öffentlichen Träger der Jugendhilfe und den kreisangehörigen Gemeinden, auch wegen der Gesamtverantwortung für die Daseinsvorsorge der in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Menschen.

 

Sofern von kreisangehörige Städten und Gemeinden anspruchsberechtigten Kindern ein Platz für die Erfüllung gegebener Rechtsansprüche für die Betreuung aber nicht angeboten werden kann, so ist Anspruchsgegner des Kindes gleichwohl immer der örtliche öffentliche Träger der Jugendhilfe, im Landkreis Darmstadt-Dieburg also der Kreisausschuss. Die Vorschrift des § 30 Absatz 2, Satz 1, HKJGB begründet nach überwiegender Rechtsauffassung ausschließlich eine objektive Verpflichtung der Gemeinde, auf die sich das Kind jedoch nicht berufen kann.

 

Dies stellt sich für örtliche öffentliche Träger der Jugendhilfe anders dar. Diese müssen darauf hinwirken, dass für jedes Kind ab dem 1. Lebensjahr bis zum vollendeten 6. Lebensjahr ein Platz in einer Kindertageseinrichtung oder in der Kindertagespflege zur Verfügung steht. Im Zweifel haben Sie bei Bedarf solche Plätze zu schaffen.

 

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Oktober 2016, kann davon ausgegangen werden, dass es zu Schadenersatzforderungen von Eltern gegen den Landkreis Darmstadt-Dieburg kommt, sofern Frauen oder Männer nicht wie geplant in ihren Beruf zurückkehren können, weil kein Betreuungsplatz für ihr Kind zur Verfügung steht.

 

Möglichkeiten direkt auf Entscheidungen der Kommunen im Bereich der Kindertagesbetreuung Einfluss zu nehmen, hat der Gesetzgeber dem Landkreis nicht eingeräumt. Anders als bei kreisfreien Städten und Sonderstatusstädten, deren Entscheidungen im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Stadt zu beachten sind, wirken Beschlüsse des Kreistages im Bereich der Kindertagesbetreuung nur dann, wenn die jeweiligen Repräsentativ-Organe der kreisangehörigen Städte und Gemeinden diese übernehmen und damit den Weg freimachen für eine Umsetzung entsprechender Vorgaben in ihrer Kommune.

 

Aktuell gibt es beim Jugendamt des Landkreises Darmstadt-Dieburg etliche Anfragen besorgter Eltern, denen bislang kein Betreuungsplatz durch ihre jeweilige Kommune in Aussicht gestellt werden konnte. Klagen gegen den Landkreis  liegen zwar noch nicht vor, angesichts der Größenordnung fehlender Plätze ist dies allerdings zu erwarten. Die Chancen des Landkreises, in solchen Fällen zu obsiegen, sind angesichts der eindeutigen Rechtslage, gering.

 

Zur Frage, wie viele Plätze im Landkreis Darmstadt-Dieburg ab dem neuen Kindergartenjahr (01.08.2017) tatsächlich fehlen werden, lassen sich aktuell keine belastbaren Aussagen treffen, da entsprechende Bedarfs- und Planungszahlen aus den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht vorliegen.

 

Wenn aber in Weiterstadt allein (Bericht des Darmstädter Echo vom 16.01.2017) schon 90 Plätze fehlen, so kann, auf den gesamten Landkreis bezogen, davon ausgegangen werden, dass mehrere 100 Kinder im Landkreis Darmstadt-Dieburg möglicherweise keinen Betreuungsplatz erhalten werden, deren Eltern dann den Landkreis verklagen könnten.

 

Klageziele können sein:

 

  1. Bereitstellung eines (bedarfsgerechten) Betreuungsplatzes

 

  1. Schadenersatz, sofern der Betreuungsplatz durch den Landkreis nicht bereitgestellt werden kann.

 

Die gegebene Situation birgt für den Landkreis Darmstadt-Dieburg erhebliche Risiken, welche durch die Verwaltung des Jugendamtes nicht abgewehrt werden können.