Nachtrag: 07.09.2005

Beschluss: Kenntnis genommen

Landrat Jakoubek teilt mit, dass nach Informationen des Hessischen Landkreistages die ausgewerteten Ergebnisse der diesjährigen Umfrage zur Erfassung der zentralen Haushaltsdaten der hessischen Landkreise bestätigen, dass sich die finanzielle Lage der hessischen Landkreise wie schon befürchtet wurde, weiter deutlich verschlechtert.

 

Die Einzelergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

  • Die zum 31.12.2004 aufsummierten Fehlbeträge wachsen deutlich um 319.439.335,-- Euro auf 697.877.893,-- Euro an.
  • Lediglich zwei Landkreise konnten unter Ausschöpfung sämtlicher Einnahmemöglichkeiten ihre Einnahmen und Ausgaben zum Abschluss des Jahres 2004 zur Deckung bringen. Im Vorjahr waren noch fünf Landkreise dazu in der Lage.
  • Wie im Vorjahr konnte nur ein Landkreis seinen Haushalt für 2005 ausgeglichen verabschieden. Dazu war aber die Erhöhung des Kreisumlagehebesatzes um 4 Prozentpunkte notwendig.
  • Die in 2005 insgesamt veranschlagten jahresbezogenen Fehlbedarfe sind mit 530.554.468,-- Euro noch stärker gestiegen als im Jahr zuvor, in dem bereits eine Deckungslücke von ca. 420 Mio. Euro nicht geschlossen werden konnte.
  • Die aufgelaufenen Rechnungsfehlbeträge zum 31.12.2004 = 697.877.893,-- Euro und der jahresbezogene Fehlbedarf 2005 lassen das kumulierte Haushaltsdefizit zum 31.12.2005 auf 1.228.432.361,-- Euro sprunghaft ansteigen. Während der Vergleichswert des Vorjahres bereits bei ca. 762,4 Mio. Euro lag, wird in diesem Jahr erstmals die Milliardengrenze sogar deutlich überschritten.
  • 18 der 21 hessischen Landkreise haben teils mit, teils ohne Druck der Aufsichtsbehörde ihren Kreisumlagehebesatz angehoben. Der landesdurchschnittliche Kreisumlagehebesatz ist damit um 1,83 Prozentpunkte auf 45,60 Prozentpunkte gestiegen. Zum Ausgleich des jahresbezogenen Fehlbedarfs 2005 hätten die Kreisumlagehebesätze im Durchschnitt um 16,5 Prozentpunkte angehoben werden müssen.
  • Nur drei Landkreise können den gesetzlich geforderten Mindestbestand in ihrer Allgemeinen Rücklage ausweisen.
  • Der Zuschussbedarf für Soziales und Jugend inklusive Personalausgaben weist eine Steigerung von 65.543.879,-- Euro auf 1.086.255.444,-- Euro aus (plus 6,42 %).
  • Der Zuschussbedarf für Schulen inklusive Personalkosten ist gegenüber dem Vorjahr sogar um 32,05 % (+ 54.947.912,-- Euro) auf 226.398.960,-- Euro gestiegen.
  • Der Schuldenstand der hessischen Landkreise ohne Sondervermögen, Mitgliedschaften und Beteiligungen hat sich zum Jahresende 2004 gegenüber dem Vorjahr um ca. weitere 30 Mio. Euro auf 2.551.752.814,-- Euro erhöht. Hinzugezählt werden müssen noch die Schulden der Sondervermögen, die zum Jahresende 2004 um 13.448.362,-- Euro auf 545.017.731,-- Euro gestiegen sind sowie die Schulden aus Vorgängen, die Kreditaufnahmen wirtschaftlich gleich kommen in Höhe von 166.778.556,-- Euro (+ 5.660.833,-- Euro).

 

Nachdem bereits im vergangenen Jahr die Landkreise aus finanzieller Sicht vor eine ihrer schwersten Bewährungsproben standen, wird sich diese Krise nach den Umfrageergebnissen in 2005 noch verschärfen. Weil die Möglichkeiten aus eigener Kraft Verbesserungen zu erzielen nahezu vollends ausgeschöpft sind, müssen die Kreise in steigendem Maße ihre Pflichtaufgaben über Kassenkredite finanzieren, die sich als Spiegelbild der auflaufenden Haushaltsfehlbeträge in den vergangenen Jahren zwischenzeitlich zu einer großen Bugwelle aufgetürmt haben. Nach den Ergebnissen der kommunalen Kassenstatistik hat sich der Stand der Kassenkredite im ersten Quartal 2005 gegenüber dem vergleichbaren Quartal des Vorjahres um 187,3 Mio. Euro auf 597,9 Mio. Euro dramatisch erhöht (+ 45,62 %). Die jahresbezogene Unterfinanzierung der hessischen Landkreise beträgt bereits über 500 Mio. Euro. Ohne die Hilfe des Bundes- und Landesgesetzgebers werden die Haushaltsfehlbeträge in dieser Größenordnung jährlich weiter steigen und sich die Flucht in die Kassenkredite verstärken.

 

Das in den vergangenen Jahren wiederholte Verzögern und Hinausschieben wichtiger Korrekturen zugunsten der Landkreise hat letztlich mit entscheidend dazu beigetragen, dass die Landkreise unverschuldet in die jetzige Finanzmisere geraten sind. Verstärkt wurde dies noch durch die Entscheidungen des Landes im Kommunalen Einanzausgleich; so gingen die im letzten Jahr für den Kommunalen Finanzausgleich 2005 noch nachträglich erfolgten Kürzungen von 92 Mio. Euro hauptsächlich zu Lasten der Landkreise. Vor dem Hintergrund der finanziellen Notlage der Landkreise darf das Land ihnen seine Hilfe nicht länger verweigern und weiter darauf setzen, dass das„Füllhorn Kreisumlage“ unerschöpflich ist. Auch wenn es erwartungsgemäß Widerstände des Städte- und Gemeindebundes und des Hessischen Städtetages gegen die Umsetzung der Forderungen der Landkreise geben wird, muss das Land seiner Schiedsrichterrolle gerecht werden und umgehend die dringend notwendigen Korrekturen für die Landkreise vornehmen. Wenig hilfreich und nicht ausreichend ist es, wenn der hessische Minister des Innern und für Sport unter Ziff. 9 seiner am 03.08.2005 herausgegebenen Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden die absolute Obergrenze für die Kreisumlage mit 50 % vorgibt. Sollte damit der Hebesatz gemeint sein, stoßen bereits heute schon mehrere Kreise an diese Grenze. Es erscheint rätselhaft, wie diese Kreise ohne weitere Erhöhung ihrer Hebesätze ihre Einnahmen und Ausgaben zur gesetzlich vorgegebenen Deckung bringen und dabei noch ihre hohen Altfehlbeträge in den nächsten Jahren ausgleichen sollen. Nur mit der Freigabe des Schulumlagehebesatzes könnten die Kreisumlagehebesätze abgesenkt und damit die 50 %-Grenze zumindest in naher Zukunft noch eingehalten werden.

 

Der Finanzausschuss des Hessischen Landkreistages hat in seiner letzten Sitzung am 25.08.2005 die Umfrageergebnisse zur Kenntnis genommen und hierzu folgenden Beschluss gefasst:

 

  1. Der Finanzausschuss betrachtet mit großer Sorge die stetige Zunahme der Haushaltsfehlbeträge der hessischen Landkreise, die in diesem Jahr voraussichtlich die Milliardengrenze deutlich übersteigen werden.
  2. Mit besonders großer Besorgnis wird die rasante Entwicklung des Kassenkreditbestandes der Landkreise beobachtet, der allein im 1. Quartal des vergangenen Jahres um etwa 187,3 Mio. Euro bis 597,9 Mio. zugenommen hat.
  3. Er bekräftigt vor diesem Hintergrund mit Nachdruck seinen Befund, dass die Einnahmestruktur im kommunalen Bereich insgesamt - im besonderen Maße aber bei den Landkreisen - in keiner Weise dem gewandelten Belastungsbild auf der Aufgaben- und Ausgabeseite genügt. Es besteht deshalb unverändert die Erwartung, dass die strukturellen Fehlentwicklungen in dem System der kommunalen Finanzen, die bei den Arbeiten der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen sowie zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ausgeklammert wurden, endlich einer Lösung zugeführt werden. Der Finanzausschuss beharrt darauf, dass in diesem Zusammenhang auch Lösungen für das besondere Problem der Kreisfinanzierung, das Landkreise und kreisangehörige Gemeinden gleichermaßen belastet, gesucht werden.
  4. Er erwartet vom Land, dass - wie beabsichtigt - der Schulumlagehebesatz und der Ermäßigungssatz der Sonderstatusstädte für ihre Kreisumlagegrundlagen mit der Änderung des Finanzausgleichsgesetzes ab dem 01.01.2006 frei gegeben bzw. reduziert und die Erfüllung dieser berechtigten zentralen Anliegen der Landkreise nicht erneut auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird.

 

Der Ausschuss hat die derzeit beabsichtigte Reduzierung des Ermäßigungssatzes der Sonderstatusstädte für die Kreisumlagegrundlagen allerdings nur als einen ersten Schritt in die richtige Richtung akzeptiert. Damit die aufgrund des zu hohen Ermäßigungssatzes seit Jahren erlittenen finanziellen Nachteile für die Landkreise endlich beseitigt werden erwartet er, dass spätestens mit der Änderung des Finanzausgleichsgesetzes zum 01.01.2007 der Ermäßigungssatz weiter abgesenkt wird und die Sonderstatusstädte ab diesem Zeitpunkt auch nur noch den Aufwand ausgeglichen bekommen, der von ihnen aus der Wahrnehmung der mit dem so genannten Lahn-Dill-Gesetz übertragenen Aufgaben auch tatsächlich zu tragen ist.

 

 

 

Landrat Jakoubek teilt ergänzend mit, dass dem HLT durch die Hessische Landesregierung ein Gesprächsangebot unterbreitet wurde. Der HLT hat deshalb die beabsichtigte Klage um ein Jahr zurückgestellt. Die Gespräche werden in Kürze aufgenommen und sollen bis zum 30.6.2006 abgeschlossen sein. Die HLT-Versammlung wird über die Ergebnisse beraten und über eine evtl. Weiterführung der Klage entscheiden.