Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der Fraktion der FDP:

 

1.      Wie beurteilt der Kreisausschuss die Vorschläge der Kommission für eine Richtlinie über

die Konzessionsvergabe insgesamt?

 

Der Kreisausschuss sieht sich bei der Vergabe von Aufträgen jeder Art den Prinzipien der Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und Manipulationsvorbeugung verpflichtet. Dies wird nicht zuletzt in entsprechenden Dienstanweisungen erkennbar, mit denen der Kreisausschuss die Verwaltung seit jeher durch entsprechende Verfahrensvorschriften an das geltende Vergaberecht gebunden hat.

 

Während für Baukonzessionen unterhalb wie oberhalb des Schwellenwerts bereits in der Vergangenheit in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) vorgegeben war, dass die Vergabe nach den Bestimmungen für Bauaufträge durchzuführen war (direkte Anwendung der Vergabebestimmungen), fehlte es bisher an entsprechenden Regelungen zum Verfahren für den Bereich der Dienstleistungskonzessionen. Eine Richtlinie zur Konzessionsvergabe ist daher nicht nur im Sinne der Transparenz sondern auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit insgesamt von Vorteil.

 

2.      Wie beurteilt der KA die Umsetzung des Kommissionsvorschlags hinsichtlich der

Entwicklung des bürokratischen Aufwands für die Kreisverwaltung?

 

Zunächst ist der Bedarf an Konzessionsvergaben der Kreisverwaltung im Vergleich zu den zahlreichen Auftragsvergaben für Lieferungen, Leistungen und vor Allem Bauleistungen als eher gering einzuschätzen. Weiterhin hat zum Mai 2012 die Zentrale Auftragsvergabestelle des Landkreises Darmstadt-Dieburg (ZAvS) ihre Tätigkeit aufgenommen und begleitet seitdem jegliche förmlichen Vergabeverfahren der ausschreibenden Organisationseinheiten von der Veröffentlichung der Ausschreibung bis zur Auftragserteilung. Es wird somit gewährleistet, dass die  Verfahren standardisiert ablaufen, ohne dass alle Organisationseinheiten des Landkreises neben ihren fachlichen Kompetenzen in gleichem Maße vergaberechtliche Bestimmungen beherrschen müssen.

 

Durch die Routine, die die ZAvS bei der Durchführung förmlicher Vergabeverfahren besitzt, sollte der durch die Konzessionsvergabe zusätzliche Aufwand fachlich abzudecken sein, zumal sich aus der Konzessionsrichtlinie keine neuen Verfahrensarten ergeben. Ob es einer Aufstockung des Personals bedarf, ist erst abzusehen, wenn die Zahl zusätzlicher von der ZAvS abzuwickelnder Verfahren für den Bereich der förmlichen Vergabe von Konzessionen bekannt ist.

 

Es kann zusammenfassend prognostiziert werden, dass nach Inkrafttreten der Konzessionsrichtlinie kein wesentlich erhöhter Aufwand mit Vergaben verbunden sein wird, als er bereits zuvor im Sinne transparenter Vergabeverfahren zu leisten war und zu dem die Organisationseinheiten des Landkreises Darmstadt-Dieburg verpflichtet waren. Allerdings wird es einer Umstellung der Prozesse zum Beispiel hinsichtlich der vorgegebenen Veröffentlichungspflichten und der Laufzeit der Verfahren, die dem europäischen Vergaberecht unterliegen, bedürfen.

 

3.      Hält der KA die vorgesehenen Schwellenwerte für europaweite Ausschreibungen für

ausreichend hoch?

 

Die Schwellenwerte für europaweite Ausschreibungen liegen seit Jahren für Bauvergaben um (im Moment bei) 5 Millionen €, für Lieferungen und Leistungen um (im Moment ebenfalls bei) 200.000 €. Der in dem Konzessionsrichtlinienentwurf zunächst vorgesehene Schwellenwert von 5 Millionen € wurde nach Abstimmung des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments am 24.01.2013 auf 8 Millionen € angehoben.

 

Mit dieser deutlichen Privilegierung der Konzessionsvergabe im Vergleich zu den Bau-, Liefer- und Dienstleistungsvergaben ist der Schwellenwert von 8 Millionen € als ausreichend hoch anzusehen.

 

4.      Wie beurteilt der KA die Auswirkungen auf die Rettungsdienste im Landkreis Darmstadt-Dieburg?

 

Der Kreisausschuss begrüßt ausdrücklich die nach Abstimmung des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments am 24.01.2013 festgestellte Ausnahmeregelung für den Rettungsdienst („emergency ambulance services“). Danach fallen diese Leistungen nicht unter die Regelungen der Konzessionsrichtlinie.

 

Nachdem allerdings die Dienste des Krankentransports („patient transport ambulance services“) sehr wohl von der Konzessionsrichtlinie erfasst bleiben sollen, sind diese zumindest als „soziale und andere besondere Dienstleistung“ im Sinne der Richtlinie einzustufen. Die Vergabestellen sind bei solchen Leistungen jedoch lediglich verpflichtet, die geplante Konzessionsvergabe und die Zuschlagserteilung öffentlich bekanntzugeben.

 

6.      Wie steht der KA zur Absicht der Kommission, in den Anwendungsbereich der Richtlinie zur Konzessionsvergabe den Wassermarkt einzubeziehen?

 

Der Kreisausschuss teilt die allseits vorgetragenen Bedenken, die Wasserversorgung als Element der Daseinsvorsorge in den Geltungsbereich der Richtlinie einzubeziehen. Es ist deswegen bedauerlich, dass auch nach den Abstimmungen des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments keine Ausnahmeregelung für den Wassermarkt erreicht werden konnte.

 

Dies ist im Übrigen unabhängig davon zu sehen, dass grundsätzlich ein Wettbewerb um die Lieferung von Trinkwasser denkbar sein sollte. Es kann letztlich kaum etwas dagegen sprechen, dass gleichermaßen geeignete Unternehmen im Wettbewerb um einen Auftrag zur Lieferung von Trinkwasser stehen. Als grundlegendes Eignungskriterium nach nationalem Recht muss entsprechend § 50 (2) Wasserhaushaltsgesetz gelten, dass ein Unternehmen die nachgefragte Wasserversorgung vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken in der Lage ist. Nachdem eine solche Anforderung auch mit dem im Oberschwellenbereich geltenden Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Einklang steht, ist offen, ob eine fachjuristische Prüfung nicht zum Ergebnis haben könnte, dass die Beteiligung ortsferner Unternehmen an einem Wettbewerb um eine Konzession im Bereich der Wasserversorgung insofern ausgeschlossen sein kann.

 

7.      Führt eine Verabschiedung der Richtlinie dazu, dass die freiwillige interkommunale

Zusammenarbeit von Kommunen generell und insbesondere im Bereich der

Wasserversorgung im Landkreis erschwert oder gar unmöglich wird?

 

Nach den erfolgten Abstimmungen des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments soll für die vertikale interkommunale Zusammenarbeit (In-house-Vergabe) das Kriterium der „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ bereits als erfüllt gelten, wenn ein entscheidender Einfluss auf die strategischen Ziele sowie die wichtigsten Entscheidungen der kontrollierten Einheit vorliegt. Das Kriterium der „wesentlichen Tätigkeit für den oder die öffentlichen Auftraggeber“ soll erfüllt sein,  wenn 80% des Gesamtumsatzes in Bezug auf den Konzessionsgeber erwirtschaftet werden.

 

Auch wenn bezüglich der In-house-Vergabe in der Konzessionsrichtlinie nunmehr zunächst Lockerungen der Kriterien erkennbar sind, ergibt sich insbesondere für Mehrspartenunternehmen mit Tätigkeiten im Wasser- und Energiebereich die Problematik, dass lediglich 20% des Gesamtumsatzes abseits der Leistungen für den Konzessionsgeber erwirtschaftet werden dürfen. Es wird deshalb für ein Festhalten an der In-house-Vergabe an derzeit bestehende Mehrspartenbetriebe gegebenenfalls erforderlich sein, nach Ablauf der Übergangsfrist im Jahr 2020 die Wasserversorgung auszugliedern. Dies träfe gemischtwirtschaftliche Stadt- oder Gemeindewerke im Landkreis in gleicher Weise.

 

 

Für die horizontale interkommunale Zusammenarbeit öffentlicher Auftraggeber gilt nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen als eine der notwendigen Voraussetzungen für die Vergaberechtsfreiheit, dass eine echte Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben unter Einschluss wechselseitiger Rechte und Pflichten beabsichtigt ist. Dies ist als problematisch anzusehen, weil letztlich eine reine Aufgabenübertragung eines öffentlichen Auftraggebers auf einen anderen (wie sie nach der Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge auch weiterhin möglich sein soll) ausgeschlossen wird.

 

Soweit die Konzessionsrichtlinie im weiteren Verfahren diesbezüglich nicht noch an die Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge angepasst wird, ist hierin eine deutliche Erschwernis für die horizontale interkommunale Zusammenarbeit zu sehen. Es bestünde dann durchaus die Gefahr, dass auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg die interkommunale Zusammenarbeit erschwert und im Falle der Unmöglichkeit der Schaffung notwendiger Organisationsstrukturen gegebenenfalls verhindert wird.

 

8.      Führt die Richtlinie nach Einschätzung des Kreisausschusses zwangsläufig zur Pflicht

europaweiter Ausschreibungen im Falle interkommunaler Zusammenarbeit?

 

Im Zusammenhang mit der Konzessionsrichtlinie betont die Europäische Kommission stetig, dass die Autonomie der kommunalen Gebietskörperschaften bei der Organisation und Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht eingeschränkt werden soll, sondern die Kommunalen Gebietskörperschaften jederzeit frei darüber entscheiden können, ob sie diese Dienste selbst erbringen oder damit private Unternehmen beauftragen wollen.

 

Auch wenn damit richtigerweise zum Ausdruck gebracht wird, dass die  Kommunen nur dann zur Ausschreibung verpflichtet sein sollen, wenn sie kommunale Dienstleistungen nicht selbst oder durch ein verbundenes Unternehmen erbringen, bleiben die bereits genannten Kriterien für eine interkommunale Zusammenarbeit mögliche Hemmnisse für eine ausschreibungsfreie Vergabe. Dass aber die interkommunale Zusammenarbeit zwangsläufig zur Pflicht europaweiter Ausschreibungen führt, ist daraus nicht abzuleiten. Vielmehr wird im Fall des Inkrafttretens der Konzessionsrichtlinie in der derzeitigen Fassung die Herausforderung darin bestehen, die interkommunale Zusammenarbeit so zu organisieren, dass sie von der Ausschreibungspflicht befreit bleibt.

 

9.      Inwieweit könnte die geplante Zusammenarbeit im Rahmen des Breitbandausbaues im

Landkreis hiervon betroffen sein?

 

Durch diese EU-Richtlinie ist kein weiterer Einfluss auf das Projekt NGA-Netz Darmstadt-Dieburg zu erwarten.

 

Begründung:

- Die Richtlinie gilt nicht ausdrücklich für Projekte der elektronischen Kommunikation.

 

- Die Kerndefinitionen zu den Begriffen finden sich TITEL I, Kapitel I, Abschnitt I sowie bzgl. der speziellen Gültigkeit für das NGA-Projekt insbesondere im Titel II, Abschnitt II, Artikel 9 „Besondere Ausschlüsse im Bereich der elektronischen Kommunikation“.

 

- Die dem geplanten NGA-Projekt zu Grunde liegenden EU-Richtlinien, wettbewerbsrechtlichen Grundlagen, die Bundesrahmenregelung Leerrohre sowie die begleitenden Verfahrens- und Rechtvorschriften bilden alle relevanten Vorgaben der EU Richtlinie KOM 2011/897 ab.