Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der Fraktion der FDP:

 

1.      Hat die Kreisverwaltung Informationen darüber, wie viele der in Deutschland

(nach der sog. Leo-Studie) errechneten 2-3 Millionen Analphabeten und 7,5

Millionen 18-64- jährige „funktionale Analphabeten“ im Landkreis Darmstadt-

Dieburg leben, die übrigens alle die Schule durchlaufen haben?

 

Es werden auf Landkreisebene keine Daten zu Lese- und Schreibkundigkeit ermittelt. Die Menschen verbergen ihre Probleme mit dem Lesen und Schreiben. Bei den Betroffenen muss unterschieden werden zwischen Migranten, deren Muttersprache nicht Deutsch war, und Menschen mit deutscher Muttersprache, die in der Regel auch in Deutschland zur Schule gegangen sind. Für beide Gruppen gibt es ein anderes Kursangebot. Das muss getrennt werden.

 

 

2.      Welche Möglichkeiten sieht die Kreisverwaltung, das Thema im Bereich des

Landkreises zu enttabuisieren und gesellschaftliche Institutionen dafür zu

sensibilisieren?

 

Die VHS widmet sich schon viele Jahre dem Thema. Auch über den Hess. VHS Landesverband erfolgt der Anstoß für Projekte. Es ist schwierig an die Zielgruppe heran  zu kommen, da die Menschen ihre Probleme mit Lesen und Schreiben verbergen. Nur wenige gehen „Aus der Deckung“ und unternehmen etwas. Viele dieser Menschen sind aus bildungsfernen und sozial schwachen Familien. In einer Kampagne könnte durch enge Zusammenarbeit mit Sozialberatungsstellen, Arbeitsamt, Kreisagentur für Beschäftigung, u. a.  die Sensibilität für das Thema erhöht werden, so dass die Menschen auf das Kursangebot aufmerksam werden.

 

Fallmanagement und Sachbearbeitung der KfB sind für dieses Thema sensibilisiert und die KfB hat in Person von Frau Dr. Reineke eine Sprachberatungsstelle eingerichtet, die bei entsprechender „Diagnose“ in Alphabetisierungskurse vermittelt.

 

 

3.      Welche Alphabetisierungskurse und welche speziellen Psychotherapien werden im

Landkreis wo und in welchem Umfang durch wen angeboten?

 

Die VHS bietet seit Jahren einen Abendkurs „Trainingskurs Lesen und Schreiben“ an. Es wurde eine sozialverträgliche Kursgebühr von 50,- Euro für 15 Abende3 festgelegt. Eine weitere Ermäßigung ist möglich.

Weiterhin bereitet auch die VHS Integrationskurse mit Alphabetisierung an. Diese sind jedoch nur für Migranten zugelassen.

 

Im Jahr 2011 wurden von der Sprachberatungsstelle der KfB 46 Teilnehmer/innen in Alphabetisierungskurse vermittelt. Diese Kurse werden  über das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) finanziert. Die Teilnehmer bekommen insgesamt maximal 1200 Unterrichtseinheiten (UE) finanziert.

 

Angeboten werden diese Kurse von folgenden Trägern:

 

·        KVHS Dieburg Teilzeitkurse 3 Vormittage pro Woche je 4 UE

·        Sprachschule Alpha Plus in Dieburg Intensivkurse 20 UE pro Woche

·        VHS Darmstadt Teilzeitkurse drei Vormittage pro Woche je 4 UE

·        Bildungszentrum des Hessischen Handels in Darmstadt Intensivkurse 25 UE pro Woche

 

Wir vermitteln die Klienten/innen an diese Träger unter Berücksichtigung des jeweiligen Wohnortes und der persönlichen Situation.

 

Deutsche Analphabeten können nicht in die Alphabetisierungskurse vermittelt werden. Zwar sind auch hier die Maßnahmen arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, dürfen aber weder über das SGB II noch das SGB III finanziert werden, es sei denn, die Alphabetisierung ist Bestandteil einer übergeordneten Maßnahme.

 

Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die Alphabetisierung ist grundsätzlich dem Bereich der Allgemeinbildung zuzurechnen und damit nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitslose. Für die Alphabetisierung von deutschen Erwachsenen gibt es derzeit keinen Kostenträger. Die BA sieht die Alphabetisierung dieser Personengruppe als Aufgabe der Bundesländer (und ggf. der Kommunen) an, denen die Trägerförderung obliegt. Eine Bereitschaft der Grundsicherung, die Förderung der Alphabetisierung (evtl. auch teilweise) zu übernehmen, würde bedeuten, Versäumnisse im Bildungssystem, das in der Kulturhoheit der Länder liegt, zu Lasten des Bundes beheben zu lassen.

 

Ein entsprechendes Angebot für deutsche Erwachsene, finanzierbar aus dem Eingliederungsbudget und auf Grundlage des SGB II, wäre aus Sicht des Landkreises wünschenswert.

 

 

4.      Ist es möglich, dass auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg Personen an

Computerkursen im Rahmen der Arbeitsvermittlung teilgenommen haben, obwohl

sie weder lesen noch schreiben können? Wenn ja, wie viele Fälle sind bekannt?

 

Es ist grundsätzlich denkbar, dass auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg Personen im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme an Computerkursen teilgenommen haben, obwohl sie weder Lesen noch Schreiben konnten und dass dieser Umstand erst in dieser konkreten Schulungssituation offenbar wurde. Es liegen allerdings keine Erkenntnisse über konkrete Fallzahlen vor.

 

 

5.      Wie viele Analphabeten im Landkreis sind arbeitslos?

 

Der Analphabetismus wird nicht statistisch erfasst, so dass demzufolge auch keine Aussage darüber getroffen werden kann, wie viele Analphabeten im Landkreis Darmstadt-Dieburg arbeitslos sind.

 

 

6.      Hat die Kreisverwaltung und wenn ja, wann und in welcher Höhe Mittel beantragt

 

a)      aus dem „Grundbildungspaket“,

Bund und Länder planen einen "Grundbildungspakt". Die Maßnahmen und Finanzierung sind noch nicht konkret.

Jedoch gibt es einen Förderschwerpunkt zur Grundbildung ausgehend vom Bund. Dieser bezieht sich auf die Erarbeitung von Konzepten, Schulung von Lehrkräften und die Ansprache von Mittlerpersonen in Wirtschaft und Bildung. Das reine Kursangebot wird nicht gefördert. Die VHS des Landkreises ist im Rahmen der Dachverbände des Deutschen VHS Verbandes und des Hess. VHS Verbandes mit dem Thema Grundbildung befasst. Es werden dort von den VHSen gemeinsame Strategien und Konzepte gerade entwickelt.

 

b)      aus der „Weiterbildungsprämie für Alphabetisierungskurse“,

Die Bildungsprämie wird nicht für ein Kursangebot ausgestellt, sondern spezifisch für die Person. Die geförderte Weiterbildung muss einen Berufsbezug aufweisen.  Ein Lese- und Schreibkurs kann dann im Einzelfall auch gefördert werden.

Bei den Förderinstrumenten Qualifizierungsscheck (für ungelernte Personen mit niedrigem Verdienst) werden nur Maßnahmen gefördert, die in direktem Bezug zu der Tätigkeit stehen. Allgemeine Grundbildung ist ausgeschlossen.

 

c)      aus den zusätzlichen 26-Mio. Euro des Programms „Lesestart“ der

Bundesstiftung Lesen oder

Das Programm Lesestart ist ein Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es richtet sich an Kinderärzte, Bibliotheken, Kindertagesstätten und Grundschulen.

 

d)      aus dem mit 400 Mio. Euro ausgestatteten Programm für verstärkte

Sprachförderung in Kitas ?

Es ist nicht klar, welches von mehreren, momentan parallel laufenden, bzw. in Planung befindlichen Förderprogrammen der Fragesteller meint. Förderangebote richten sich regelhaft unmittelbar an die Träger von Einrichtungen. Eine Beteiligung des Kreises ist hierbei nicht vorgesehen. So wurde der Verwaltung des Jugendamtes auch im Zuge von Besprechungen auf Leitungsebene mit Fachkräften aus Kindertageseinrichtungen bekannt, dass neun Einrichtungen aus dem Landkreis das Sprachförderprogramm des Bundes ("Frühe Chancen") nutzen.

Es ist hier auch bekannt, dass auf der Basis einer FDP-Initiative ein Modell "Qualifizierte Schulvorbereitung - QSV" eingeführt werden soll. Voraussetzung hierfür sei, dass Antrag stellende Einrichtungen wiederum das Kinder Sprach Screening "KiSS" verbindlich anwenden. Die Bewerbung muss hier gemeinsam mit einer Grundschule erfolgen. Auch das Einschätzungsinstrument  "Kompetenzen und Interessen von Kindern - KOMPIK" muss angewandt werden.