Beschluss: Kenntnis genommen

Erste Kreisbeigeordnete Lück informiert den Kreisausschuss über die aktuelle Entwicklung im Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen im Landkreis Darmstadt-Dieburg:

 

Im Landkreis Darmstadt-Dieburg muss gegenwärtig mit einem, im Vergleich zu den vergangenen Jahren, starken Zuwachs an stationären Altenpflegeeinrichtungen gerechnet werden. Diese geplanten und z. T. schon im Bau befindlichen Einrichtungen werden vor allem zu einem drastischen Anstieg an vollstationären Heimpflegeplätzen führen. In einigen Fällen wurden von Seiten der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landkreises bereits Gespräche zum Abschluss eines Versorgungsvertrages gemäß § 72 SGB XI im Benehmen mit den Landesverbänden der Pflegekassen geführt, bei anderen Vorhaben sind Investoren und Betreiber nur über die regionale Presse und/oder das Internet bekannt.

 

Zwar sind Städte und Landkreise gemäß § 8 SGB XI aufgefordert, gemeinsam mit anderen Akteuren eng zusammenzuwirken, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung zu gewährleisten. Rechtlich wirksame Steuerungsmöglichkeiten auf der Basis einer Bedarfsplanung (Altenplan 2009 für den Landkreis Darmstadt-Dieburg) haben sie jedoch nur bei Bauvorhaben, die im Rahmen der Investitionsförderung des Landes Zuschüsse in Anspruch nehmen. Außerhalb eines Investitionsförderverfahrens haben Träger von Einrichtungen der stationären Pflege bereits dann einen ausdrücklichen Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Landesverbänden der Pflegekassen und den Trägern der Sozialhilfe, wenn sie die baurechtlichen, heimaufsichtsrechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen gemäß § 72 SGB XI erfüllen.    

 

Dabei sehen die landesrechtlichen Bestimmungen für die „unabweisbar erforderliche Grundversorgung der Bevölkerung“ im Bereich der stationären Dauerpflege einen Bedarfsanhaltswert von höchstens 25 Plätzen auf 1000 Einwohner/innen im Alter von 65 und mehr Jahren vor. Gemäß § 4 der Förder-Verordnung sollen Einrichtungen mit mehr als 100 Plätzen möglichst vermieden werden, bei Neu- und Umbauten sollen zugleich teilstationäre und rehabilitative Angebote geschaffen werden (§ 4 (3) HA PflegeVG).

 

Auf dieser Grundlage weist der Altenplan 2009 für den Westkreis schon jetzt deutliche Überhänge an stationären Plätzen aus, die in den kommenden Jahren massiv zunehmen werden. Im Ostkreis wird der jetzt noch bestehende Bedarf gedeckt werden. Auch hier werden, falls alle geplanten Einrichtungen realisiert werden, Überkapazitäten entstehen.

 

Mit Blick auf die Bedarfsplanung ist im Landkreis Darmstadt-Dieburg davon auszugehen, dass auch zukünftig ein deutlich erkennbarer Bedarf in den Bereichen Tagespflege, regelhafte Kurzzeitpflege und Betreutes Wohnen bestehen wird, da die bisher von den Trägern der Einrichtungen vorgelegten Konzeptionen, eher an Pflege- und Betreuungskonzepten der sog. 3. Generation des Altenheimbaus (90er Jahre) orientiert sind und vor allem den Ausbau vollstationärer Plätze zum Ziel haben. Darüber hinaus werden auch weiterhin spezielle stationäre Angebote („Hausgemeinschaften“, Wohngruppenkonzepte etc.) für die wachsende Zahl von Menschen mit Demenzerkrankung fehlen.

 

Insgesamt muss aufgrund dieser Entwicklung befürchtet werden, dass

 

  • das bisherige „West-Ost-Gefälle“ bei der Versorgung mit stationären Pflegeplätzen weiter bestehen bleibt, bzw. sich zum Nachteil des Ostkreises verschärfen wird;

 

  • sich die bislang günstige Relation zwischen häuslichen und stationären Pflegearrangements im Landkreis Darmstadt-Dieburg drastisch zugunsten der stationären Pflege verschieben wird („Heimsogeffekt“). Bspw. gibt es im Odenwaldkreis im Vergleich zum Landkreis Darmstadt-Dieburg deutlich mehr vollstationäre Plätze in Relation zur Zahl der Einwohner/innen. Dementsprechend unterschiedlich war in 2009 die Quote der häuslichen Pflege: Odenwaldkreis 66,6%, Landkreis Darmstadt-Dieburg 80,4%;

 

  • der Neubau von innovativen stationären Einrichtungen (4./5. Generation des Altenheimbaus) aufgrund des Vorhandenseins von großen, neuen Einrichtungen der 3. Generation über Jahre unterbleibt und es zu einem Verdrängungswettbewerb mit möglichen Insolvenzen von Einrichtungen kommt;

 

  • die Förderung und Etablierung von präventiven/ambulanten Angeboten zur Entlastung pflegender Angehöriger durch die Bindung von Ressourcen im stationären Bereich deutlich schwieriger oder sogar blockiert wird;

 

  • der Wettbewerb um examinierte Pflegefachkräfte drastisch zunehmen wird und damit auch  Forderungen nach einer Senkung der Fachkraftquote;

 

  • im Bereich der „Hilfe zur Pflege“ gemäß SGB XII ein drastischer Kostenanstieg zu verzeichnen sein wird:

 

So gibt es im Landkreis Darmstadt-Dieburg aktuell in 22 Einrichtungen der vollstationären Dauerpflege insgesamt 1426 Pflegeplätze.

 

Durch die derzeit in Planung, bzw. kurz vor Fertigstellung befindlichen neuen Einrichtungen ist zu erwarten, dass sich die Anzahl der Pflegeplätze in diesem Bereich zukünftig bis auf 2399 Plätze erhöht. Hierbei wurde ein evtl. Bereinigungseffekt durch einen Verdrängungswettbewerb nicht berücksichtigt.

 

Dieser Zuwachs an vollstationären Heimpflegeplätzen wird sich auf die Finanzsituation des Landkreises Darmstadt-Dieburg insofern niederschlagen, als sich durch ein Anwachsen der Zahl der vom Landkreis Darmstadt-Dieburg finanziell nach dem Sozialgesetzbuch XII unterstützten Menschen in Einrichtungen auch eine Steigerung der Ausgaben ergeben wird.

 

Es werden derzeit 238 Menschen in Kostenträgerschaft des Landkreises in Einrichtungen auf dem Gebiet des Landkreises finanziell unterstützt. Weitere 167 Menschen werden außerhalb des Landkreises in Einrichtungen aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt.

 

Im Landkreis Darmstadt Dieburg beträgt somit der Anteil der aus Sozialhilfemitteln unterstützten Pflegeplätze 16,69 %.

 

Auf Grundlage dieses Prozentsatzes lässt sich die Anzahl der nach Ausbau der Pflegeplätze auf 2399 Plätze zu erwartende Zahl der Sozialhilfeempfänger mit 400 in Einrichtungen des Landkreises und 167 außerhalb des Landkreises bemessen.

 

Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Landkreises. So ist nach einer vollständigen Umsetzung der in Planung befindlichen Bauvorhaben und einem Gesamtvolumen von 2399 vollstationären Pflegeplätzen eine Ausgabensteigerung auf Seiten des Landkreises Darmstadt-Dieburg von derzeit jährlich etwa 4.350.000,00 € auf zukünftig ca. 6.100.000,00 € zu rechnen. Dies bedeutet eine Zunahme der Ausgaben im Bereich der „Hilfe zur Pflege“ um ca. 40%, die im Rahmen der Kreisumlage von den Kommunen im Landkreis Darmstadt-Dieburg mit getragen werden.