Beschluss: Kenntnis genommen

Anfrage der Fraktion von Die Linke/DKP:

 

Die Bundesagentur für Arbeit gab in einer Dienstanweisung bekannt, dass ARGEN erst gegen „sittenwidrige Löhne“ für vollzeitbeschäftigte Hartz IV Empfänger – sogenannte „Aufstocker“- gerichtlich vorgehe, wenn deren Löhne unter 3 € lägen. Hierzu fragen wir an :

 

1.         Wurde diese Dienstanweisung der ARGEN  in Bezug auf sittenwidrige Löhne in der Kreisagentur für Beschäftigung so übernommen ?

Nein

 

2.                  Wenn nein, welche Vorschriften und welcher Stundenlohn der vollzeitbeschäftigten Hartz IV Bezieher gelten als Maßstab für „sittenwidrige Löhne“ in der KfB ?

Die Kreisagentur orientiert sich an der aktuellen Gesetzgebung und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines Anderen für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Diese Regelung gilt auch für Arbeitsverhältnisse.

3.         Gab es „Fälle“ im Jahr 2009, wo die KfB die sittenwidriger Löhne von Vollzeitbeschäftigten Hartz IV Bezieher gerichtlich überprüfen ließ ?

Nein

 

4.         Wenn ja, wie viele Fälle waren dies im Jahr 2009 ?

Entfällt

 

5.         Gibt es innerhalb der KfB überhaupt Überprüfungsmechanismen zur Feststellung von sittenwidrigen Löhnen ?

Bei Stellenangeboten wird grundsätzlich der Lohn bzw. das Gehalt abgefragt. Sittenwidrige Stellenangebote werden nicht in das Vermittlungsangebot aufgenommen.

 

Bei Anträgen auf Eingliederungszuschüssen, Beschäftigungszuschüssen etc. ist die Prüfung auf Einhaltung des Tariflohnes bzw. des ortsüblichen Gehalts vorgeschrieben. Wird kein Tarif- oder ortsüblicher Lohn gezahlt, dürfen Zuschüsse nicht gewährt werden.

 

6.         Wenn ja, wie ist der Verlauf und deren Wirksamkeit ?

            Siehe Antwort unter Punkt 5.

 

7.         Fallen – nach Ansicht der KfB Leitung- „sittenwidrige Löhne“ von vollzeitbeschäftigten Hartz IV Bezieher nicht an, wenn die Pfändungsfreigrenze von 989,99 für Alleinstehende unterschritten wurde ?


8.         Wenn nein, was ist der Grund das einerseits der Gesetzgeber für Alleinstehende die Pfändungsfreigrenze (Konto -oder Lohnpfändung) auf 989,99 € festlegt, aber den Hartz IV Beziehern u.U. in der KfB zugemutet wird Arbeit evtl. unterhalb dieses Summe anzunehmen ? Was ist der Grund warum evtl. hier keine gerichtliche Prüfung der Lohnhöhe erfolgt?

 

            Zu 7. und 8.:
Das Bundesarbeitsgericht hat im April 2009 ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Maßgebend ist der Vergleich mit der tariflichen Stunden- oder Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind. Eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags danach nicht zu beanstandende Vergütung kann durch die Entwicklung des Tariflohns „wucherisch“ werden.

Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) beginnen erst bei Stundenlöhnen von deutlich unter 3 Euro, wegen möglicherweise bestehendem Lohnwucher zu ermitteln. Eine derartige Dienstanweisung bestätigte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt gegenüber dem Fersehmagazin „Report Mainz“.

Nach Heinrich Alt sind drei Euro die Grenze, wo eine harte Prüfung anfangen sollte ob es sich um einen sittenwidrigen Lohn handelt oder nicht. Die obersten deutschen Arbeitsrichter bejahen allerdings schon dann die Sittenwidrigkeit, wenn der gezahlte Lohn ein Drittel unter dem örtsüblichen Stundenlohn und/oder ein Drittel unter dem geltenden Tariflohn liegt. In der Regel ist sittenwidriger Lohn deshalb oftmals schon bei Stundenlöhnen von drei bis sieben Euro gegeben.

Die Frage, ob ein sittenwidriger Lohn gezahlt wird, kann also nicht pauschal beantwortet werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung durch die zuständigen Gerichte feststellen zu lassen.

Es gibt einige Indizien, die für die Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung sprechen. Zum Beispiel kann ein sittenwidriger Lohn angenommen werden, wenn die Vergütungshöhe verglichen mit der einschlägigen Tarifvergütung oder der regional üblichen Branchenvergütung eine Abweichung nach unten von mehr als einem Drittel aufweist. Dies gilt insbesondere bei niedrigen Entgelten. Liegen diese Indizien vor, kann im Wege einer Klage vor dem Arbeitsgericht letztlich die Sittenwidrigkeit geprüft und festgestellt werden.

Auch die Kreisagentur achtet auf Indizien für Lohnwucher. Allerdings ist in den letzten 5 Jahren kein Fall aufgetreten, der eine Klage vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt hätte.