Beschluss: Kenntnis genommen

Erster Kreisbeigeordneter Schellhaas übergibt die Fotokopie eines Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Kassel vom 31.08.2009.

 

Im Landkreis Darmstadt-Dieburg wurden in Spitzenzeiten für bis zu 400 Schülerinnen und Schüler die Kosten für ambulante Legasthenie-Therapien durch das Jugendamt gezahlt. In allen Fällen lagen Fachgutachten vor, die z. B. sekundäre Neurotisierungen der Kinder aufgrund der Legasthenie bestätigten und daher den Weg zu ambulanten Leistungen gemäß § 35 a SGB VIII eröffneten. Damals waren „Legasthenie, Dyskalkulie u. ä.“ nicht Teil der offiziellen Sprache der Hessischen Kultusverwaltung. Es gab keine, die Situation der Kinder und der Eltern tatsächlich stützenden Hilfen durch „Schule“.

 

Dies änderte sich aus Sicht der Jugendhilfeträger nach Erlass der Verordnung des Hessischen Kultusministeriums über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen (VOLRR) vom 18.05.2006. Es wurde eine vorrangige Leistungsverpflichtung der Schulen (§ 3 VOLRR, § 10 SGB VIII) gesehen. Eltern wurden aufgefordert, sich mit der jeweiligen Schule ihres Kindes in Verbindung zu setzen und die Leistungszusage nach der VOLRR dort einzufordern.

 

Die Fallzahlen des Jugendamtes reduzierten sich nach und nach auf aktuell 40 Leistungsfälle.

 

Es zeigte sich relativ rasch, dass die allgemeinen Schulen nicht dazu in der Lage waren, den Förderansprüchen nach VOLRR zu genügen. Es kam zu Gerichtsverfahren. Im vorliegenden Fall obsiegte der Landkreis Darmstadt-Dieburg beim Verwaltungsgericht Darmstadt, welches die hiesige Rechtsauffassung teilt, unterlag nun aber im Rechtsmittelverfahren beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Nach Auffassung des VGH besteht eine vorrangige Leistungsverpflichtung von Schulen nur dann, wenn die für das Kind notwendige individuelle Hilfe dort präsent ist (zentrale Begründung). Die Schulen sind indes regelhaft nicht so ausgestattet, dass sie die durch die VOLRR gegebenen Leistungsversprechen einlösen können. Für die möglichen Leistungen gilt also ein Ressourcenvorbehalt (vgl. auch § 49 Abs. 2) Hessisches Schulgesetz.

 

Im Ergebnis muss davon ausgegangen werden, dass die Fallzahlen des Landkreises Darmstadt-Dieburg und die finanziellen Aufwende für diese Pflichtleistungen nach § 35 a SGB VIII wieder deutlich ansteigen werden. Sofern die früheren Fallzahlen wieder erreicht werden, kann mit Kosten zwischen 500.000,-- € und 1 Mio. € im Jahr gerechnet werden.

 

Das Urteil wurde dem Hessischen Landkreistag zugeleitet.