Anfrage der Fraktion der AfD:
Seit dem Listerien-Skandal um die Wurstfabrik Wilke in Nordhessen im Herbst 2019 rücken Fragen nach Lebensmittelkontrollen stärker in das Interesse der Verbraucher. Hinzu kommen fast tägliche Lebensmittelwarnungen durch die „hessenWarn-App“.
Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch stellte nach einer sieben Monate andauernden Recherche zu Lebensmittelkontrollen in Deutschland während des Jahres 2018 im Dezember 2019 ihren Ergebnisbericht vor. Danach fiel im Jahr 2018 bundesweit jede dritte vorgeschriebene Betriebskontrolle aus, mehr als eine Viertelmillion Betriebskontrollen fanden nicht statt. Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit können demnach nicht in vollem Maße gewährleistet werden. Wilke ist folglich nur die Spitze des Eisbergs in Bezug auf mangelnde Kontrollen.
Laut foodwatch war in Hessen die Zahl der Kommunen, die eine Auskunft ganz oder teilweise verweigerten, mit am größten. Sowohl die Stadt Darmstadt als auch der Landkreis Darmstadt- Dieburg habe einen Teil der Angaben nur gegen Gebühr machen wollen. Foodwatch bezweifelt jedoch die Rechtmäßigkeit von Gebühren für die Auskunftserteilung.
Laut des Berichts von foodwatch vom 09.12.2019 lag die Zahl der Soll-Plankontrollen im Landkreis Darmstadt-Dieburg im Jahr 2018 bei 1.756. Durchgeführt wurden im Jahr 2018 lediglich 1.041 Kontrollen. Dies entspricht einer Quote von 59 Prozent.
Die AfD-Fraktion stellt die folgenden Fragen:
- Wie viele lebensmittelverarbeitende Betriebe gibt es im Landkreis Darmstadt-Dieburg? Bitte aufschlüsseln nach Art der Betriebe, Risikoklassen, verarbeiteten Lebensmitteln und jeweiliger vorgeschriebener Kontrollfrequenz.
- Wie viele Betriebe im Landkreis Darmstadt-Dieburg insgesamt unterliegen derzeit Lebensmittelkontrollen? Bitte aufschlüsseln nach Art der Betriebe (Restaurants, Imbiss, Kiosk, Geschäfte etc.) sowie jeweiliger vorgeschriebener Kontrollfrequenz.
Die Anzahl
sowie Art und Risikoklasse der Betriebe im Landkreis Darmstadt-Dieburg
entnehmen Sie bitte den Tabellen 1 und 2 der Anlage. Die Daten sind dort nach
den Jahren 2018 und 2019 aufgeschlüsselt. Die Unterscheidung zwischen
Lebensmittelbetrieb und Nicht-Lebensmittelbetrieb, sowie verarbeiteten
Lebensmitteln ergeben sich aufgrund der Betriebsart, eine genauere
Differenzierung ist ohne erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand nicht möglich und
wegen unserer personellen Besetzung nicht durchführbar. Die Kontrollfrequenz
ist durch die Risikoklasse bestimmt. Diese ist anhand der unten eingefügten
Legende ablesbar.
Risikoklasse |
Kontrollfrequenz |
1 |
täglich |
2 |
wöchentlich |
3 |
monatlich |
4 |
vierteljährlich |
5 |
halbjährlich |
6 |
jährlich |
7 |
1,5-jährlich |
8 |
zweijährlich |
9 |
dreijährlich |
- Wie viele Planstellen für Lebensmittelkontrolleure gibt es derzeit im Landkreis Darmstadt-Dieburg, und wie viele davon sind aktuell besetzt?
Es gab in den
Jahren 2018 und 2019 fünf Planstellen für Lebensmittelkontrolleure, die
dauerhaft besetzt waren. Eine der Stellen mit Stundenreduzierung. Es wurde
aktuell eine weitere Stelle geschaffen, die sich im Bewerberprozess befindet
und eine siebte Stelle ist in der Diskussion.
- Welchen Berufsgruppen gehören die für den Landkreis tätigen Lebensmittelkontrolleure jeweils an?
Die für den Landkreis tätigen Lebensmittelkontrolleure verfügen über
die gesetzlich geforderte berufliche Ausbildung und haben die Fortbildung zum
Lebensmittelkontrolleur absolviert, wodurch sie alle Voraussetzungen für die
berufliche Tätigkeit erfüllen.
Gesetzliche Vorgabe:
Verordnung über die Ausbildung und Prüfung
zur Lebensmittelkontrolleurin und zum Lebensmittelkontrolleur
§ 2
Einstellungsvoraussetzungen
Für die Ausbildung
zur Lebensmittelkontrolleurin oder zum Lebensmittelkontrolleur in der amtlichen
Lebensmittelkontrolle kann eingestellt werden,
a) wer einen
Berufsabschluss mit zusätzlicher Fortbildungsprüfung auf Grund des
Berufsbildungsgesetzes, der Handwerksordnung oder als Technikerin oder
Techniker mit staatlicher Prüfung in einem Lebensmittelberuf besitzt;
b) Bewerberinnen
und Bewerber aus dem mittleren und gehobenen Dienst der allgemeinen Verwaltung,
die mindestens drei Jahre in der amtlichen Lebensmittelkontrolle beschäftigt
waren;
c) wer einen
Fachhochschulabschluss mit Diplomprüfung in einem Studiengang besitzt, der
Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Lebensmittel, Tabakerzeugnisse,
kosmetischen Mittel oder Bedarfsgegenstände vermittelt.
- In wie vielen Fällen führten amtliche Kontrollen in den Jahren 2018 und 2019 zu Beanstandungen und machten jeweils Nachkontrollen erforderlich? Bitte aufschlüsseln nach Art der Betriebe und Gründe der Beanstandungen für Nachkontrollen.
- Wurden die unter Frage 5 erfragten Nachkontrollen sämtlich durchgeführt?
- Wie viele der Beanstandungen aus Frage 5 waren jeweils zu den Nachkontrollen behoben, und in wie vielen Fällen wurden weitere Nachkontrollen erforderlich? Bitte aufschlüsseln nach Art der Betriebe sowie Beanstandungen.
Im Jahr 2018
fanden 77 Nachkontrollen statt, bei sieben dieser Nachkontrollen wurden
Verstöße festgestellt (nicht behobene Verstöße aber auch neue Verstöße). Im
Jahr 2019 fanden 76 Nachkontrollen statt, bei 16 dieser Kontrollen wurden
Verstöße festgestellt.
Ob und in
welchem Umfang Beanstandungen behoben werden, ist vor allem abhängig von der
Sachkunde beziehungsweise Ausbildung des Lebensmittelunternehmers.
Insgesamt
wurden im Jahr 2018 215 und im Jahr 2019 192 außerplanmäßige Kontrollen
durchgeführt. Zu diesen Kontrollen zählen Nachkontrollen, Kontrollen aufgrund
von Verbraucherbeschwerden, Kontrollen zur Überwachung von Rückrufen und Kontrollen
zur Ermittlung von Sachverhalten.
In den Zahlen
der Nachkontrollen sind auch wiederholte Nachkontrollen enthalten, eine
Differenzierung in erste, zweite oder weitere Nachkontrolle erfolgt nicht.
Nachkontrollen
werden in den allermeisten Fällen durchgeführt, da sie prioritär behandelt
werden. Dennoch entfallen Nachkontrollen wenn der betroffene Betrieb in der
Zwischenzeit geschlossen wurde oder eine schwerwiegende Problematik in einem
anderen Betrieb als wichtiger eingestuft wird.
Eine
Aufschlüsselung nach Betriebsart und Art der Verstöße, beziehungsweise Gründen
der Beanstandungen ist ohne erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand nicht möglich
und wegen unserer personellen Besetzung nicht durchführbar.
Bei den Gründen
für Nachkontrollen handelt es sich zumeist um erhebliche Hygieneverstöße oder
bauliche Mängel.
- In wie vielen Fällen konnten in den Jahren 2018 und 2019 die jeweils vorgeschriebenen Lebensmittelkontrollen nicht durchgeführt werden? Bitte aufschlüsseln nach regelmäßigen Kontrollen und Nachkontrollen sowie Gründe hierfür.
Die
Abweichungen der vorgeschriebenen Kontrollen können den Tabellen 1 und 2 der
Anlage entnommen werden. Die Zahl der nicht durchgeführten Nachkontrollen kann
nicht ohne erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand ermittelt werden und ist daher
wegen unserer personellen Besetzung nicht durchführbar.
Begründung:
Zur personellen
Ausstattung mit Lebensmittelkontrolleuren ist festzuhalten, dass der Stand mit
5 Kontrolleuren seit der Kommunalisierung und davor seit 2003 unverändert
ist. Allerdings bestanden und bestehen Arbeitszeitreduzierungen, die nicht im
Fachgebiet aufgefangen werden können.
Die für
risikoorientierte Plankontrollen nutzbare Arbeitszeit wird zunehmend auch durch
nicht in dieser Statistik erfasste Tätigkeiten eingeschränkt:
Ein spezielles
und zunehmendes Problem in der Überwachungstätigkeit ist hier der
ungeregelte Zugang zur Tätigkeit als „Lebensmittelunternehmer“, sofern nicht handwerkliche
Tätigkeiten mit Handwerkskammerpflicht ausgeübt werden (nur bei handwerklichen
Bäckern, Metzgern). Dies hat zur Folge, dass im Kleingewerbe und in der
Gastronomie eine Vielzahl an schlecht- bis komplett unqualifizierten Personen
vorgefunden werden, oft Personen bei denen erhebliche sprachliche Defizite
vorliegen, die aber ein Gewerbe führen welches sie oftmals aufgrund der eben
genannten Punkte nicht nachhaltig ausführen können und somit einen hohen bis
extremen Kontrollzeit-, Beratungs- und Verfahrensaufwand erfordern.
Durch die
Umstellung der Lebensmittelrechtsmaterie auf direkt geltende EU-Verordnungen
ist zum einen festzustellen, dass die Rechtstexte selbst regelmäßig immer
komplexer und länger werden, daneben aber regelmäßig auch noch durch nationale
Durchführungsverordnungen ergänzt werden müssen. Die Materie wird dadurch immer
zeitaufwendiger zu bearbeiten.
Der Ersatz der
nationalen Lebensmittelkennzeichnungsverordnung durch die VO(EU) 1169/2011
-Lebensmittelinformations-VO, ergänzt durch die nationale
Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (Inkrafttreten 13.12.2014)
bedeutet hier eine nachhaltig starke Verkomplizierung des Kennzeichnungsrechts,
was weiterhin zu großem Beratungs-, Beanstandungs- und Verfahrensaufwand führt
(Quidregelung, Allergenkennzeichnung, vermehrt verpflichtende
Nährwertkennzeichnungsangaben).
Auch
EU-Zulassungsverfahren werden mit Vor- und Nachüberprüfungen immer aufwendiger
und sind nicht im Rahmen der Plankontrollen registriert.
Die Abarbeitung
von Vorgängen wie Schnellwarnungen, Probenbeanstandungen und div. Anfragen
nimmt einen größeren Zeitaufwand in Anspruch.
Daneben sind
Probenahmen in hohem Maße bei Anwendung der Handlungshilfe nicht (mehr) für die
o.a. Statistik relevant, da sie in vielen Fällen unter den außerplanmäßigen
Kontrollgrund „außerplanmäßige Kontrolle bei Probenahme“ fallen. Diese
Probenziehungen sind aber ebenfalls arbeitszeitbindend. Hier sind folgende
Zahlen für 2018 zu vermerken:
446
Planprobennahmen incl. dabei erfolgter Kontrollen von Lebensmitteln,
Bedarfsgegenständen und Kosmetika und
65 Beschwerde-,
Nach-, Verdachtsproben und Bearbeitung von Fremdproben.
Weiterhin
erfolgten 215 außerplanmäßige Kontrollen (aufgrund von Verbraucherbeschwerden,
Verdachtskontrollen und Nachkontrollen
Für 2019: Es
besteht weiterhin Arbeitszeitreduzierung und auch die anderen Probleme bestehen
unverändert weiter.
Auch durch den
Lebensmittelskandal der Firma Wilke wurden durch einen Erlass des Ministeriums
weitere Schwerpunktkontrollen angeordnet, die wiederum eine Probenbearbeitung,
Berichtspflichten und Nachkontrollen mit sich brachten.
Ein
lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch in unserem Landkreis hat Ende des
Jahres 2019 zusätzlich einen erheblichen Arbeitsaufwand bewirkt, sodass
wiederum Plankontrollen vernachlässigt werden mussten.
- In wie vielen Fällen führten in den Jahren 2018 und 2019 Hinweise von Betrieben aufgrund von Auffälligkeiten durch ihre Eigenkontrollen zu zusätzlichen amtlichen Kontrollen durch den Landkreis? Bitte aufschlüsseln nach Art der Betriebe und Gründe.
Es gab im Jahr
2019 einen Hinweis von einem Lebensmittelunternehmer, der sich aufgrund von
Auffälligkeiten in den Eigenkotrollen bei der Behörde gemeldet hat. Dies ist
leider die Ausnahme und da auch die Labore nicht die Ermächtigung besitzen
auffällige Daten an die Behörde weiter zu geben, werden derzeit Auffälligkeiten
im Eigenkontrollsystem meist nur im Nachhinein bei Plankontrollen oder außerplanmäßigen
Kontrollen festgestellt.
- Was unternimmt der Landkreis Darmstadt-Dieburg konkret zur personellen Aufstockung der Lebensmittelkontrolleure und der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit?
Es wurde im
Jahr 2020 eine neue Stelle für einen Lebensmittelkontrolleur geschaffen, eine
weitere Stelle ist der der Diskussion. Eine weitere Verwaltungsstelle wird
ebenfalls besprochen, die zur Durchführung der Verwaltungs- und
Ordnungswidrigkeitsverfahren benötigt wird.
Es ist derzeit
kaum möglich fertig ausgebildete Lebensmittelkontrolleure auf dem Markt zu
finden, wodurch auch die Neueinstellung nicht zu einer unverzüglichen
Verbesserung der Kontrollsituation führt, da die Fortbildung zwei Jahre in
Anspruch nimmt.