Sitzung: 28.01.2019 Ausschuss für Gleichstellung, Generationen und Soziales
Beschluss: Kenntnis genommen
Vorlage: 1835-2018/DaDi
Als obdachlos gelten Menschen,
die auf der Straße leben, an öffentlichen Plätzen wohnen, ohne eine Unterkunft,
die sich in Verschlägen, Parks oder unter Brücken etc. aufhalten.
In Abgrenzung hierzu gelten
Menschen, die aufgrund ordnungsrechtlicher Maßnahmen ohne Mietvertrag, das
heißt lediglich mit Nutzungsverträgen in Wohnraum eingewiesen oder in
Notunterkünften untergebracht werden, als wohnungslos. Für diesen Personenkreis
beschloss der Kreistag in seiner Sitzung am 23.04.2018
(Nr.1437-2018/DaDi) vor dem Hintergrund der bislang bundes- und landesrechtlich
ungeklärten, aber dringend regelungsbedürftigen Zuständigkeit vorläufige
Maßnahmen.
Kreisbeigeordnete
Lück informiert
über das Ergebnis der
bisherigen Prüfung und der ersten Analysen:
Zur Erfassung der Ist-Situation der Wohnungslosigkeit im Landkreis wurde
ein Erhebungsbogen an alle 23 Städte und Gemeinden versandt. Neben der
Erfassung der Bewohner in den Notunterkünften (nach Geschlecht, familiärer
Situation und Alter) wurde die Gesamtzahl der Plätze, die Belegungsquote sowie
die Dauer der Unterbringung erfasst. Alle Städte und Gemeinden nahmen an der
Abfrage teil.
Es ergibt sich folgendes Bild:
·
Im Juli 2018 waren von den insgesamt 371 im Kreis zur Verfügung
stehenden Plätzen für Wohnungslose 238 belegt. Das entspricht einer Auslastung
von 64,2 %.
·
Die Anzahl der Notunterkünfte im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist sehr
unterschiedlich. Im Durchschnitt wird kreisweit ein Platz je 1.123 Einwohner
bereit gehalten.
·
Die Mehrheit der Wohnungslosen im Kreis ist männlich und alleinstehend.
·
2/3 aller untergebrachten Personen leben länger als sechs Monate in
einer Notunterkunft, 1/3 bereits länger als zwei Jahre.
·
Viele Wohnungslose sind von mehr als einer
Problemlage betroffen. Suchterkrankungen, psychische Probleme und Gewalt wurden mehrfach als
Hemmnis für die Vermittlung in privaten Wohnraum angegeben.
Die detaillierte Auswertung ist
als Anlage 1 beigefügt.
Von der Kreisversammlung der Bürgermeister wurden für eine Arbeitsgruppe
Wohnungslosigkeit folgende Teilnehmende entsandt: Herr Ruppert, Herr Möller und
Frau Sprössler (als Vertreter Herr Schuchmann und Herr Koch). Von Seiten des
Kreises nehmen die Sozial- und Jugenddezernentin, deren Büroleiterin sowie die
Leiterin des Fachbereiches Soziales, Pflege und Senioren an der Arbeitsgruppe
teil.
Das Abfrageergebnis macht deutlich, dass derzeit primär kein Bedarf an
zusätzlichen Plätzen für Wohnungslose besteht, sondern dass vorrangig die
Beratung, Betreuung und Begleitung durch
ausreichendes Fachpersonal Ziel sein muss, um die von Wohnungslosigkeit
betroffenen Menschen möglichst gezielt über ihre weiteren
Unterstützungsmöglichkeiten aufzuklären und eine zeitnahe Vermittlung in
eigenen Wohnraum bzw. ggf. weiterführende bedarfsgerechte Hilfen (z.Bsp.
Betreutes Wohnen, Suchtberatungen, Therapiestätten,…) sicherzustellen. Zur
Reintegration in die Gesellschaft ist eine sozialpädagogische Arbeit mit den
Betroffenen unerlässlich.
Der Horizont e.V. betreut bereits seit 1999 im Auftrag der Stadt
Darmstadt Menschen, die auf Grundlage des Hessischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) untergebracht werden müssen. In einem
Konzeptionsentwurf bezüglich eines Betreuungsangebotes für Wohnungslose im
Landkreis, welches der Horizont im Jahr 2012 der Bürgermeisterkreisversammlung
vorgelegt hat, wird ausgeführt, dass erfahrungsgemäß ein Betreuungsschlüssel
von 3 Stunden pro Person und Woche in aller Regel ausreichend ist.
Ausgehend von diesem Betreuungsschlüssel und unter Zugrundelegen der
Kosten für Sozialpädagogen der Entgeltgruppe S 11 b ergeben sich an jährlichen
Brutto-Entgeltkosten für die Betreuung der Wohnungslosen im Kreis:
Ø Für alle Wohnungslosenlosen 724.984,62
EUR
Ø Für Wohnungslose, die länger
als sechs Monate
in den
Notunterkünften sind 481.292,31
EUR
Ø Für Wohnungslose, die länger
als zwei Jahre
in den Notunterkünften sind 243.692,31
EUR
Die detaillierte Berechnung kann der Anlage 4 entnommen werden.
Für die Beauftragung eines Trägers der Wohnungslosenhilfe ist ein förmliches
Vergabeverfahren unter Beteiligung der Zentralen Auftragsvergabestelle
durchzuführen. Inhalt der Ausschreibung sollte die sozialpädagogische Betreuung
der Wohnungslosen im Landkreis auf Grundlage einer entsprechenden Konzeption
sein.
Von den Vertretungen der Städte und Gemeinden in der Arbeitsgruppe
Wohnungslosigkeit wurde signalisiert, dass von deren Seite eine
Kostenbeteiligung ausscheidet. Die anfallenden Betreuungskosten wären somit
ausschließlich aus Mitteln des Kreises sicherzustellen. Zur Betreuung und
Steuerung des Projektes ist darüber hinaus beim Fachbereich 540 eine halbe
Stelle der Entgeltgruppe 9 erforderlich.
Zur Fragestellung, in wie weit Eingliederungshilfe nach dem SGB II für
Maßnahmen mit dem Ziel einer Vermittlung in Arbeit und zur Hilfestellung bei
der Wohnungssuche eingesetzt werden können, liegt eine umfassende Stellungnahme
des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration vom 27.08. d.J. vor,
die als Anlage 2 beigefügt ist. Im Ergebnis wird die Einordnung von Maßnahmen zur
Wohnraumbeschaffung unter die Leistungen nach dem 3. Kapitel, 1. Abschnitt des
SGB II (Leistungen zur Eingliederung in Arbeit) ausgeschlossen.
Bereits mit Schreiben vom 16.03.2018 nahm das Hessische
Innenministerium gegenüber dem
Hessischen Landkreistag Stellung zur Aufgabe des Sozialhilfeträgers in Bezug
auf die Unterbringung und
Betreuung von Wohnungslosen.
Zur Frage der Abgrenzung zwischen Sozialrecht und Gefahrenabwehrrecht
wird ausgeführt, dass die Frage der Beschaffung von Wohnraum nicht Aufgabe des
SGB II- und XII-Trägers (und damit der Landkreise) ist. Es wird betont, dass es
dem Hilfebedürftigen obliegt, sich um eine Wohnung zu kümmern. Der
Sozialhilfeträger habe lediglich die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft
zu bestimmen, anzuerkennen und zu leisten. Die Beratungsaufgabe erschöpfe sich
im SGB XII wie im SGB II bei der Benennung von Möglichkeiten der
Wohnraumbeschaffung.
Das Innenministerium vertritt die Auffassung, dass Hilfe zur Überwindung
besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß den §§ 67 ff. SGB XII
(Gefährdetenhilfe) nur einem sehr eingegrenzten Personenkreis zu gewähren ist.
Diese Hilfen seien nicht darauf gerichtet Unterbringungsmöglichkeiten zu
finanzieren, sondern sollen einzelfallbezogen Menschen in besonderen Lebenslagen
unterstützen. Das Anschreiben ist als Anlage 3 beigefügt.
Aktuell ist der örtliche Sozialhilfeträger für die Gewährung von Hilfen
zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zuständig. Ab 01.01.2020
wird durch eine Gesetzesänderung die Zuständigkeit dem überörtlichen
Sozialhilfeträger (LWV) übertragen.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das HSOG nicht für die
Unterbringung dauerhaft wohnungsloser Menschen ausgelegt ist. Daraus resultiert
allerdings nicht die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers bzw. ein
grundsätzlicher Anspruch auf Betreuung aus § 67 SGB XII.
Dies bedeutet, dass es für die Übernahme der Kosten der
sozialpädagogischen Betreuung der wohnungslosen Menschen durch den Landkreis
keine rechtliche Verpflichtung gibt und
diese nur als freiwillige Leistung erfolgen kann. Nur in außergewöhnlichen
Fällen kommt Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §
67 SGB XII in Betracht – ab 01.01.2020 ist hier allerdings der überörtliche
Träger sachlich zuständig.
Bevor nun ein detailliertes Konzept ausgearbeitet wird, sollte der
Kreistag zunächst entscheiden, ob die erforderlichen Mittel -zum einen für die
Betreuung zumindest der Langzeitwohnungslosen von 240.000,-- EUR und zum anderen die erforderlichen
Personalaufwendungen für die Koordination der Aufgabe- zur Verfügung gestellt werden.