Anfrage der Fraktion von Freie Wähler-Piraten:
Der Landkreis Darmstadt-Dieburg ist Bauherr zahlreicher Großprojekte. In diesem Zusammenhang bestehen folgende Fragen:
1.
Werden die einzelnen Bauleistungen grundsätzlich
mittels einzelner Lose ausgeschrieben?
Ja, soweit
nicht wirtschaftliche und/oder technische Gründe im Einzelfall eine Abweichung
vom Grundsatz der losweisen Vergabe erfordern.
2.
Wenn ja, gab es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen?
Ja, soweit die
oben genannten Gründe dies erforderten.
3.
Ist der Landkreis der Auffassung, dass sich eine
Ausschreibung, die sich an einen Generalunternehmer richtet, unzulässig ist?
Nein, der
Landkreis ist allerdings der Auffassung, dass öffentliche Auftraggeber an die
Vergabegrundsätze gebunden sind. Diese (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB), Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG), Vergabe und Vertragsordnung für
Bauleistungen, Teil A (VOB/A) sowie Vergabe- und Vertragsordnungen für
Leistungen, Teil A (VOL/A)) verlangen grundsätzlich die Ausschreibung nach
Losen (Teillose nach der Menge oder Fachlose nach der Art der Leistung).
In allen
genannten Quellen ist als Ausnahmetatbestand das Vorliegen wirtschaftlicher
oder technischer Gründe verankert. Es ist dabei nicht ausreichend, dass diese
Gründe vom Auftraggeber gesehen und benannt werden, sondern es ist im GWB und
im HVTG formuliert, dass Lose zusammengefasst werden dürfen, wenn
„wirtschaftliche oder technische dies erfordern“. Damit ist zum Ausdruck
gebracht, dass die Zusammenfassung von Losen zulässig ist, wenn dies
wirtschaftlich und/oder technisch alternativlos ist.
Insbesondere
die Argumentation über Wirtschaftlichkeitsaspekte ist dabei schwierig, weil
GU-Vergaben durch den zu vergütenden Koordinierungsaufwand des GU zwischen 10
und 15% teurer als Einzellosvergaben sind.
Liegen aber tatsächliche
einzelfallbezogene wirtschaftliche und/oder technische Gründe vor, die eine
Gesamtvergabe erfordern, ist diese auch vergaberechtlich zulässig.
4.
Wenn der Landkreis der Auffassung sein sollte, dass
eine Ausschreibung eines gesamten Gebäudes bzw. einer gesamten baulichen Anlage
durch den Landkreis in nur einem Los nicht zulässig ist, wie begründet der
Landkreis diese Rechtsauffassung?
Der Landkreis
ist nicht dieser Auffassung (s. o.).
5.
Aus einer an die Gemeinde Mühltal gerichteten E-Mail vom
13.12.2016 ergibt sich, dass die Fachgebietsleitung Zentrale
Auftragsvergabestelle - 210.2 - des Landkreises Darmstadt-Dieburg über eine
"aktuelle vergaberechtliche Stellungnahme" verfügt, die dort als
Arbeitsgrundlage dient. Ist dies zutreffend?
Dies ist nur
teilweise zutreffend. Richtig ist, dass eine vergaberechtliche Stellungnahme
vorliegt, in der auf einen konkreten Einzelfall bezogen die hierzu
vorgetragenen wirtschaftlichen und technischen Gründe für eine
Generalunternehmervergabe auf der Basis der in Ziffer 3 genannten
Rechtsgrundlagen sowie der hierzu ergangen Rechtsprechung von einem
Fachjuristen geprüft wurden. Da, wie bereits in Ziffer 3 ausgeführt, jeder
Generalunternehmervergabe das Herausarbeiten der vorliegenden
Ausnahmetatbestände im Einzelfall vorausgehen muss, kann eine solche
Stellungnahme nicht in Gänze als Arbeitsgrundlage dienen. Arbeitsgrundlage sind
allein die oben genannten vergaberechtlichen Regelungen und die hierzu
ergangene Rechtsprechung. Soweit diese in einer Stellungnahme, wie sie hier
vorliegt, genannt sind, sind sie abseits der fallbezogenen Umstände
Arbeitsgrundlage auch für die Stellungnahme selbst und werden dort zur
Herleitung der Einschätzung zu dem konkret zu beurteilenden Einzelfall
aufgeführt. Für Beschaffungsvorgänge des Landkreises kann folglich nur der
theoretische Teil, nicht aber das Ergebnis im praktischen Einzelfall als
Arbeitsgrundlage im Sinne einer auf andere Fallkonstellationen direkt
übertragbare Handlungsempfehlung gelten.
6. Wenn ja, besteht für die Mitglieder des Kreistages aus § 29 Abs. 2 HKO das Recht, diese
Arbeitsgrundlage einzusehen?
Die sich aus §
29 (2) HKO ergebenden Rechte des Kreistages sind nicht eingeschränkt.
7.
Sollte dieses Recht nach Auffassung der Kreisverwaltung
nicht bestehen, wie begründet die Kreisverwaltung diese Versagung?
Die
Kreisverwaltung sieht keine Beschränkung der Rechte nach § 29 (2) HKO.
Nachfrage des
Fragestellers:
Von: Christoph Zwickler [mailto:christoph.zwickler@yahoo.de]
Gesendet:
Montag, 30. Januar 2017 02:52
An:
Schuster, Cornelia
Betreff:
Aktuelle Anfrage Fraktion Freie Wähler/Piraten - Bitte um Beantwortung der
gestellten Fragen
Sehr
geehrte Frau Schuster,
haben
Sie zunächst vielen Dank für die - teilweise erfolgenden - Beantwortungen der
Anfragen zu den Vergaberichtlinien bei Bauprojekten des Landkreises.
Leider
hat die Verwaltung offenbar die Fragen 6. und 7. mißverstanden. Sie lauteten
wörtlich:
"6.
Wenn ja, besteht für die Mitglieder des Kreistages aus § 29 Abs. 2 HKO das
Recht, diese Arbeitsgrundlage einzusehen?
7.
Sollte dieses Recht nach Auffassung der Kreisverwaltung nicht bestehen, wie
begründet die Kreisverwaltung diese Versagung?"
Beantwortet
wurden dagegen folgende Fragen, die jedoch nicht gestellt wurden:
"6.
Werden die sich aus § 29 Abs. 2 HKO ergebenden Rechte des Kreistages
eingeschränkt?
7.
Sieht die Kreisverwaltung eine Beschränkung der Rechte nach § 29 Abs. 2
HKO?"
Daher
bitte ich nochmals um Beantwortung der gestellten Fragen sowie um Weiterleitung
dieser Mail an den Kreistag. Die Frage 6. bezieht sich auf eine bei der
Kreisverwaltung nach deren eigener Mitteilung vom 13.12.2016 vorliegende
Arbeitsgrundlage. Diese Frage kann schlicht mit "ja" oder mit
"nein" beantwortet werden. Das ergibt sich auch aus der Antwort auf
die vorangegangene Frage 5..
Vielen
Dank,
mit
freundlichen Grüßen,
Christoph
Zwickler
Der Kreisausschuss
ist der Auffassung, dass weder der Kreistag in Gänze noch ein einzelnes
Mitglied des Kreistages Rechte geltend machen können, mit denen in die
Selbstverwaltung einer kreisangehörigen Stadt oder Gemeinde eingegriffen wird.
Offensichtlich
verfügt der Initiator der Fragestellung über die Kenntnis einer an den Gemeindevorstand
der Gemeinde Mühltal übersandten E-Mail. Diese E-Mail wurde durch den
Kreisausschuss als Dienstleister im Rahmen eines IKZ-Projektes an den
Gemeindevorstand übersandt. Die Inhalte dieser E-Mail, die im Übrigen die
fragliche juristische Stellungnahme zu einem anderen Einzelfall nicht umfasst,
sind in den Antworten zu den Fragen 1 bis 5 zusammengefasst wieder gegeben.
Es steht zu
vermuten, dass der Gemeindevorstand dem Initiator eine Kenntnisnahme dieser
Information verweigert hat oder dieser damit nicht einverstanden ist. Der
Versuch, nunmehr Kenntnis der Inhalte dieser E-Mail und der Stellungnahme selbst
über seine Fragestellung im Kreistag zu erlangen, um diese dann wiederum auf
die vom Gemeindevorstand der Gemeinde Mühltal vorzunehmenden Ausschreibungsverfahren
im Zuge von Baumaßnahmen für einen Bauhof zu übertragen, wird vom
Kreisausschuss als unzulässig bewertet. Sollte es sich hierbei um die
Wahrnehmung eines Kontrollrechtes handeln, muss dieses aus der
Gemeindevertretung der Gemeinde Mühltal heraus vorgenommen werden und ist Teil
der verfassungsmäßig garantierten Selbstverwaltung der Kommunen.
Da es sich
vorliegend um eine ausschließlich gemeindliche Angelegenheit handelt, der
Kreisausschuss nur als Dienstleister der Gemeinde auftritt, das Kontrollrecht
des Kreistages, u. a. die Grundsätze, nach denen die Verwaltung vom
Kreisausschuss in kreiseigenen Selbstverwaltungsangelegenheiten geführt wird,
zu überwachen, nicht eingeschränkt ist und es sich hier eindeutig um einen
Einzelfall handelt, werden die ursprünglichen Antworten zu den Fragen 6 und 7
aufrechterhalten und zu den Inhalten im Übrigen auf die Beantwortungen der
Fragen 1 bis 5 verwiesen.