Anfrage der
Fraktion von Die Linke:
§ 55 der Hessischen Bauordnung (HBO) regelt die genehmigungsfreien Bauvorhaben: Die in der Anlage 2 aufgeführten Bauvorhaben dürfen ohne Baugenehmigung ausgeführt werden. Damit sollen Aufwände sowohl beim Bauherrn als auch bei der Bauaufsicht vermieden werden, die in keinem nachvollziehbaren Umfang zu den geplanten Baumaßnahmen stehen.
Nicht anwendbar sind die Regelungen des § 55 HBO auf Bauvorhaben nach Nr. 1.12 und 1.13 (Wintergärten und Terassenüberdachungen) der Anlage 2 zur HBO, wenn der Mindestabstand zur Nachbarschaftsgrenze weniger als 3m beträgt.
Durch die zunehmende Parzellierung von Neubaugrundstücken zur Reihenhausbebauung kann die Einhaltung des Mindestabstandes derartiger Bauvorhaben zur Nachbarschaftsgrenze oft nicht eingehalten werden.
Damit wird vielfach ein Baugenehmigungsverfahren nach § 57 oder § 58 HBO notwendig, was zu erheblichen Mehraufwänden bei den Bauherren führt. Allerdings verpflichtet das Einführungsschreiben zum Bauvorlagenerlass des HMWVL vom 02.12.2012 die Bauaufsichtsbehörden: „auf die Teile der Bauvorlagen zu verzichten, die für eine sachgerechte Beurteilung des Vorhabens nicht erforderlich sind“.
Deshalb stellen wir folgende Anfrage:
Welche Bauvorlagen sind, zusätzlich zu den nach § 55 HBO geforderten, für eine sachgerechte Beurteilung von Bauvorhaben notwendig, die nach der Anlage 2 Nr. 1.12 und 1.13 HBO eigentlich genehmigungsfrei wären, allerdings durch Unterschreitung des Mindestabstand zur Nachbarschaftsgrenze genehmigungspflichtig sind - insbesondere auch dann, wenn das Einverständnis der betroffenen Nachbarn schriftlich vorliegt?
Gemäß § 60 (2) HBO sind dem Bauantrag alle für die Beurteilung des
Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrages erforderlichen Bauvorlagen
beizufügen; die Bauaufsichtsbehörde kann zulassen, dass einzelne Bauvorlagen
nachgereicht werden.
Welche Bauvorlagen in einem Baugenehmigungsverfahren nach den §§ 57 und
58 HBO einzureichen sind, wird durch den auf rechtlicher Grundlage des § 60 (2)
Satz 4 HBO ergangenen Bauvorlagenerlass des Hessischen Ministeriums für
Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung vom 02.08.2012 (siehe
Anlage) näher geregelt.
Auch bei Bauvorhaben im Sinne des § 55 Anlage 2 Abschnitt I Nr. 1.12
und Nr. 1.13 HBO, die aufgrund einer Unterschreitung der Mindestabstandsfläche
nach § 6 (5) HBO nicht unter die Baugenehmigungsfreiheit fallen, kann nicht
pauschal angegeben werden, welche Bauvorlagen zur Beurteilung des Vorhabens und
die Bearbeitung des Bauantrages erforderlich sind; vielmehr ergibt sich dies
aus den Umständen des Einzelfalles, z.B. daraus, ob das Vorhaben im
Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder in einem unbeplanten
Gebiet im Sinne des § 34 BauGB geplant ist.
Das Einverständnis der
betroffenen Nachbarn kann im Einzelfall Voraussetzung für die Zulassung einer
Abweichung gemäß § 63 HBO von den Abstandsflächenregelungen des § 6 HBO sein,
hat im Übrigen jedoch keinen Einfluss darauf, welche Bauvorlagen zur
Beurteilung des Vorhabens und Bearbeitung des Bauantrages erforderlich sind
Mit welchem verwaltungstechnischen Prozess werden solche Bauvorhaben frühzeitig erkannt, damit der Aufwand für alle Beteiligten möglichst gering bleibt?
Bauvorhaben, die der Gemeinde von der Bauherrschaft als
baugenehmigungsfrei gemäß § 55 Anlage 2 Abschnitt V Nr. 1 HBO mitgeteilt
werden, unterliegen generell keiner Überprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde.
Werden Bauvorhaben der unter Ziffer 1. aufgeführten Art unzulässiger Weise als
baugenehmigungsfreies Vorhaben ausgeführt, so wird dies der Bauaufsichtsbehörde
vielmehr erst durch eine Anzeige der Gemeinde oder, überwiegend, durch
Beschwerden der betroffenen Nachbarn bekannt.
In diesen Fällen wird nach Durchführung einer Ortsbesichtigung gemäß §
53 (6) HBO ein bauaufsichtliches Verfahren gegen die Bauherrschaft eingeleitet,
das nach vorheriger Anhörung gemäß § 28 HVwVfG bis zum Erlass einer
bauaufsichtlichen Verfügung gemäß den §§ 53, 71 und 72 HBO führen kann.
Mit welchem Beratungsangebot unterstützt die Bauaufsicht Bauherren in diesen Fällen, damit der Aufwand für alle Beteiligten möglichst gering bleibt?
Gemäß § 48 (4) HBO hat die Bauherrschaft mit der Planung, Überwachung
und Ausführung von nicht baugenehmigungsfreien Vorhaben geeignete Personen nach
den §§ 49 - 51 HBO zu beauftragen.
Die Hessische Bauordnung verweist seit ihrer Novellierung im Jahr 2002
ausdrücklich auf die Eigenverantwortlichkeit der Bauherrschaft. Der Gesetzgeber
geht davon aus, dass die von der Bauherrschaft zu beauftragenden, im Sinne der
§§ 49 - 51 HBO qualifizierten Personen durchaus in der Lage sind, die zur
Beurteilung des Vorhabens und Bearbeitung des Bauantrages erforderlichen
Bauvorlagen eigenständig, vollständig und inhaltlich richtig zu erstellen und
insofern keiner Hilfestellung durch die Bauaufsichtsbehörde benötigen.
Sind die mit einem Bauantrag eingereichten Bauvorlagen nicht
vollständig und prüffähig, so wird die Bauherrschaft hierzu von der
Bauaufsichtsbehörde schriftlich gemäß § 28 HVwVfG angehört und unter
hinreichender Fristsetzung aufgefordert, die in dem Anhörungsschreiben näher
bezeichneten Bauvorlagen nachzureichen.
Im Übrigen besteht für die Bauherrschaft bzw. die von ihr nach den §§
49 - 51 HBO beauftragten Personen die Möglichkeit, offene Fragen bzgl. eines
Bauvorhabens zu den regulären Sprechzeiten der Bauaufsichtsbehörde (Donnerstag,
08:00 bis 12:00 Uhr und 14:00 bis 17:00 Uhr) mit den zuständigen
Sachbearbeitern zu erörtern.
Auf Anfrage wird den Fraktionen der Bauvorlagenerlass zur Verfügung gestellt.