Vorbemerkung:
Die
Beantwortung unserer Anfrage zu diesem Thema, Vorlage-Nr. 0659-2005, hat
weitere Fragen aufgeworfen. Da der Kreisausschuss in der Sitzung des Kreistages
am 25. April 2005 keine der Nachfragen beantworten konnte, erbitten wir hiermit
eine erneute schriftliche Beantwortung.
1.
In
der Antwort zu Frage 1 wird ausgeführt, dass das örtliche Jugendamt das
Landesjugendamt bei der Wahrnehmung von dessen Aufgaben unterstützt.
§
Wie
sah bzw. sieht diese Unterstützung im konkreten Fall aus?
Es
ist an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit der Kündigung
eines Betreuungsvertrages für ein Kind im Kipf-Kinderhaus Pfungstadt von
keiner der beteiligten Parteien Betreuungs- oder sonstige Leistungen vom
Jugendamt angefragt wurden. Das Jugendamt war diesbezüglich, bis auf die
Beantwortung der Anfragen aus der Vorlage-Nr. 0659-2005 nicht tätig.
2.
Weiter
heißt es in der Antwort zu Frage 1, dass ein Eingriff in die laufenden
Geschäfte einer Kinderbetreuungseinrichtung nur dann möglich ist, wenn eine
Gefährdung des Wohls einzelner Kinder in der Einrichtung zu befürchten ist.
§
Als
was beurteilt der Kreisausschuss die fristlose Kündigung des
Betreuungsvertrages eines 2-Jährigen?
Die
fristlose Kündigung des Betreuungsvertrages eines 2-Jährigen in einer
Kindertagesstätte (Oberbegriff) stellt die einseitige, gerichtlich
überprüfbare, Beendigung eines Vertragsverhältnisses dar. Zur Beurteilung der
Rechtmäßigkeit der Kündigung sind im Streitfall Gerichte und nicht der
Kreisausschuss aufgerufen.
§
Wann
ist nach Auffassung des Kreisausschusses das Wohl eines Kindes gefährdet und
ein Eingreifen notwendig?
Für
eine eigene Meinungsbildung des Kreisausschusses ist in diesem Zusammenhang
kein Raum gegeben, da der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 45 Absatz 2
Satz 4 bis 6 SGB VIII abschließende Regelungen getroffen hat.
Hiernach
ist die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung zurück zu nehmen oder zu
widerrufen, wenn im gegenwärtigen Zeitpunkt von der Einrichtung eine Gefährdung
für die Entwicklung betreuter Kinder oder Jugendlicher ausgeht. Die Erlaubnis
ist von der Genehmigungsbehörde, also dem beim Sozialministerium angesiedelten
Landesjugendamt, aufzuheben, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen zum
gegenwärtigen Zeitpunkt in diese Einrichtung gefährdet und der Träger der
Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist die Gefährdung abzuwenden. Hierzu
müssen objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen (Verdachtsmomente genügen
nicht), die im weiteren gewöhnlichen Geschehensablauf mit einiger Sicherheit zu
erheblichen Schädigungen des Wohls der Kinder oder Jugendlichen führen.
Liegen
diese Voraussetzungen vor, so ist die Erlaubnisbehörde (Landesjugendamt) zur
Aufhebung verpflichtet.
3.
Frage
3 zielt auf die fachliche Kompetenz des Kreisausschusses, hinsichtlich seiner
Aufgaben, das Landesjugendamt bei dessen Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen.
§
Wer
beurteilt für den Kreisausschuss derart weitreichende Maßnahmen, wie die
fristlose Kündigung eines Betreuungsvertrages?
Es
wird auf die Ausführungen zu Ziffer 2 der Vorlage Nr. 0659-2005 verwiesen.
§
Kann
ggf. von dieser Stelle eine fachliche Stellungnahme angefordert werden?
Für
den Landkreis besteht keine Veranlassung zur Anforderung einer fachlichen
Stellungnahme des Landesjugendamtes, da allein aus der fristlosen Kündigung
eines Betreuungsvertrages keine Kindeswohlgefährdung abgeleitet werden kann.
Es
steht darüber hinaus allen Beteiligten (betroffene Eltern, Einrichtung) die
Möglichkeit offen, das Landesjugendamt direkt zu kontaktieren.
4.
Frage
4 war offenbar missverständlich formuliert. Auch bei dieser Frage geht es uns
insbesondere um den konkreten Fall in Pfungstadt.
§
Wurde
in dieser Angelegenheit, also auch im weiteren Sinne, d.h., alle Aspekte der
bekannten Auseinandersetzung, die in der fristlosen Kündigung des
Betreuungsvertrages des 2-Jährigen gipfelte, zu irgend einem Zeitpunkt, evtl.
auch im Vorfeld der Kündigung, die fachliche Beratung des Kreisjugendamtes in
Anspruch genommen, und wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ergebnis,
insbesondere, gibt es dazu einen Schriftverkehr?
Das
Jugendamt war im Zeitraum von September bis November 2004 tätig.
Es
entstand in dieser Zeit Schriftverkehr mit Herrn K., dem Verein Kipf, dem
Magistrat der Stadt Pfungstadt und der hiesigen Kommunalaufsicht.
Am
22.09.2004 erfolgte eine mehrstündige Beratungsleistung durch die
Kindertagesstättenfachaufsicht des Jugendamtes an Frau K. in ihrer
Eigenschaft als Leiterin der Kipf-Kindertagesstätte.
Gegenstand
des faktisch durch eine Kontaktaufnahme von Herrn K. mit dem Hessischen
Sozialministerium ausgelösten Schriftverkehrs, war ein durch Kipf
ausgesprochenes Hausverbot gegen Herrn K., durch welches er sich in der
Wahrnehmung seiner Rechte als Vater beschwert sah. Das Sozialministerium
formulierte an den Vater wie folgt (auszugsweises Zitat):
„Nach
der von Ihnen gewünschten Prüfung des in dem Schreiben dargestellten Sachverhaltes
möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine Klärung betreffend des Hausverbots
zwischen Ihnen und dem Träger der Einrichtung herbeigeführt werden müsste. Eine
Zuständigkeit des Hessischen Sozialministeriums/Landesjugendamt ist hier nicht
gegeben.
Die
von Ihnen dargestellte Einschränkung des Sorge- und Umgangsrechts mit Ihrem
Sohn durch das Hausverbot, fällt ebenfalls nicht in den Zuständigkeitsbereich
des Hessischen Sozialministeriums.“ (Zitatende).
Das
Ministerium sah somit, auf der Basis des Vortrages des Vaters, keine
Kindeswohlgefährdung.
Entsprechend
einer weiter durch das Ministerium ausgesprochenen Empfehlung, wandte sich der
Vater mit einem Schreiben an das hiesige Jugendamt. Dieses bemühte sich um
Vermittlung und schrieb zur Aufklärung des Sachverhaltes, und um auszuloten, ob
Vermittlung möglich ist, alle Beteiligten an. Die Vertreter des Amtes gewannen
nach Sichtung aller eingegangen Unterlagen und der Bewertung der
Antwortschreiben den Eindruck, dass eine Auflösung des gegebenen Konfliktes durch
Beratungsleistungen des Amtes nicht möglich ist. Dies wurde Herrn K. im
Schreiben vom 09.11.2004 mitgeteilt. Eine Kopie dieses Schreibens erhielten,
wie angekündigt, der Verein Kipf und der Magistrat der Stadt Pfungstadt.
Die
aktuellen Ereignisse und Geschehnisse bestätigen die Richtigkeit der
Einschätzung der Fachabteilung. Der gegebene Konflikt zwischen den beiden
Parteien ist ausschließlich in einem juristischen Sinne lösbar.
Die
Frage, ob sich aus diesem Sachverhalt die Notwendigkeit aufsichtsrechtlichen
Einschreitens ergibt, wurde auch in einem Telefonat am 13.09.2004 durch die
Kindertagesstättenfachaufsicht des Jugendamtes mit der zuständigen Fachkraft
des Sozialministeriums erörtert. Diese bestätigte, dass kein
aufsichtsrechtliches Einschreiten erforderlich ist.
Hinsichtlich
der Inhalte des Beratungsleistungen an Frau K. am 22.09.2004 erfolgt kein
differenzierter Vortrag, da es sich nach Mitteilung der dieses
Beratungsgespräch führenden Mitarbeiterin des Jugendamtes um ein sehr
intensives, offenes und auch vertrauensvolles Gespräch gehandelt habe, dessen
Inhalt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Es haben sich indes auch in
diesem Gespräch keine Hinweise auf eine Gefährdung des Wohls des Kindes durch
die gegebene Betreuungssituation in der Einrichtung zum damaligen Zeitpunkt
ergeben.
5.
Frage
6 wird kurz und bündig mit „Nein“ beantwortet. Hierzu möchten wir zunächst
ausführen: Fraktionsvorsitzender Fleischmann war am 21.03.2005 vom Vorstand des
Kipf zu einem Gespräch eingeladen. U.a. wurde ihm erklärt, dass der Passus, der
die fristlose Kündigung des 2-Jährigen erlaubte (da dessen Eltern sich
„vereinsschädigend“ verhielten), speziell für diesen Fall in die
Betriebssatzung des Kipf aufgenommen wurde. – Dass so etwas möglich ist,
empfinden wir als einen nicht akzeptablen Willkürakt. In diesem Zusammenhang
wurde aber vom Kipf-Vorstand auf eine „ihm vorliegende Stellungnahme des
Kreisjugendamtes“ verwiesen, die einen „Wechsel des Kindes in eine Einrichtung
an seinem Heimatort“ empfiehlt. Der Vorstand des Kipf beruft sich also bei der
von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Betreuungsvertrages
ausdrücklich auf eine „Stellungnahme des Kreisjugendamtes“.
§
Bleibt
der Kreisausschuss bei seinem klaren Nein auf unsere 6. Frage („Gibt es im
konkreten Fall eine Stellungnahme des Kreisjugendamtes? – Wenn ja, auf welcher
Grundlage und mit welcher Aussage?)?
Ja.
Es existiert ausschließlich das Schreiben vom 09.11.2004 an Herrn K., welches
dem Vorstand des Verein Kipf in Durchschrift zugeleitet worden war und bei dem
es, wie bereits erwähnt, um ein durch den Verein Kipf ausgesprochenes
Hausverbot gegen Herrn K. ging.
§
Wie
bewertet der Kreisausschuss/das Kreisjugendamt die Betriebssatzung des Kipf
insgesamt und insbesondere hinsichtlich der o.g. Möglichkeit der fristlosen
Kündigung eines Betreuungsvertrages unter den darin genannten Gründen
(„vereinschädigendes Verhalten der Eltern“)?
Es
ist nicht Aufgabe des Kreisausschusses bzw. des Kreisjugendamtes
Betriebssatzungen zu bewerten, zumal hier auch die Vorgaben des 2. Buches des
BGB (Recht der Schuldverhältnisse) zu beachten sein dürften. Letztendlich kann
nur durch ein gerichtliches Verfahren eine konkrete Antwort auf die formulierte
Frage gegeben werden.
6.
Davon
ausgehend, dass das uns vorliegende Schreiben des Kreisjugendamtes (siehe
Anlage), an den Vater des 2-jährigen gerichtet, echt ist, fragen wir weiter:
§
Auf
welcher fachlichen Grundlage wird den Eltern ein „Einrichtungswechsel“ für ihr
Kind empfohlen?
Der
sehr vorsichtige Hinweis der Fachabteilung auf
die Möglichkeit eines Einrichtungswechsels zum Wohnort der Eltern
erfolgte aus pädagogischen Gründen (Knüpfung und Verfestigung sozialer Kontakte
usw.) und resultiert aus der grundsätzlichen Erfahrung, dass es für die
Entwicklung von Kindern und deren Integration in den Sozialraum günstig ist, so
früh wie möglich Einrichtungen am Wohnort zu besuchen. Diese grundsätzliche
Aussage kann nicht deshalb falsch sein, wenn sie in einer Konfliktsituation als
wohlgemeinter Denkanstoß eingebracht wird. Auf die Letztentscheidung der Eltern
wurde in diesem Schreiben ebenfalls hingewiesen.
§
Wie
verträgt sich dieses Schreiben mit den bisherigen Antworten auf unsere Fragen,
insbesondere auf Frage 3.?
Es
ist erneut darauf hinzuweisen, dass sich Nr. 3 der Anfrage der Vorlage-Nr.
0659-2005 auf die durch die Kündigung des Betreuungsvertrages geschaffene
Situation bezog. Mit seinem Schreiben vom 09.11.2004 reagierte das Jugendamt
auf die Eingabe eines Vaters, der darum bat hinsichtlich der durch das
Hausverbot geschaffenen Situation vermittelnd
tätig zu werden. Es gab seine Auffassung bekannt, dass es sich
angesichts der kaum zu durchschaubaren Gemengelage außer Stande sieht,
vermittelnd tätig zu werden. Es teilt weiter mit, dass die Problematik aus
Sicht des Jugendamtes bestenfalls in einem juristischen Sinn lösbar sei.
§
Was
gedenkt der Kreisausschuss zu unternehmen, da das Schreiben des
Kreisjugendamtes vom Vorstand des Kipf offensichtlich als „fachliche
Stellungnahme“ gewertet wird und das unsägliche Vorgehen des Kipf-Vorstandes
damit gerechtfertigt wird? (siehe auch Darmstädter Echo vom 22. März 2005 „Kipf
kündigt Zweijährigem und seiner Mutter“)
Der
Kreisausschuss sieht keine Möglichkeiten Empfängern von Schreiben von
Fachabteilungen des Hauses zu untersagen, diese in der ein oder anderen Form
(beispielsweise als Stellungnahme) zu werten.
Für die Beantwortung der
Anfrage wurden von der Verwaltung 4 Stunden benötigt. Es sind Personalkosten in
Höhe von 147,23 € entstanden.